Wachstum und Innovation im europäischen Unternehmensumfeld
Die Europäische Kommission arbeitet derzeit intensiv daran, den rechtlichen Rahmen für Unternehmen innerhalb der Europäischen Union so zu gestalten, dass Wachstum und Innovation gezielt gefördert werden. Im Mittelpunkt der aktuellen Diskussion stehen dabei zwei Initiativen: der EU-Rechtsrahmen für Unternehmen, auch als sogenanntes 28. Regime bezeichnet, sowie das geplante Europäische Innovationsgesetz. Beide Vorhaben zielen darauf ab, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu stärken, bürokratische Hürden abzubauen und unternehmerische Dynamik zu fördern. Für kleine und mittelständische Unternehmen, einschließlich technologieorientierter Start-ups und wachstumsstarker Onlinehändler, stellen diese Entwicklungen potenziell bedeutende Weichenstellungen dar.
Die Kommission verfolgt dabei das Ziel, eine europaweite Rechtsgrundlage zu schaffen, auf deren Basis Unternehmen künftig unter vereinfachten Bedingungen agieren können. Allerdings zeigen sich in den aktuellen Entwürfen sowohl klare Chancen als auch juristische und praktische Unsicherheiten. Diese gilt es zu verstehen und strategisch zu bewerten, um als Unternehmen langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.
Das 28. Regime und seine möglichen Auswirkungen auf Unternehmen
Der geplante EU-Rechtsrahmen, der häufig als 28. Regime bezeichnet wird, soll Unternehmen – insbesondere innovativen Firmen aus der Digitalwirtschaft – die Möglichkeit geben, eine europäische Gesellschaftsform zu gründen, die den EU-Regularien unterliegt und damit von vereinheitlichten Bestimmungen im Gesellschafts-, Arbeits-, Steuer- und Insolvenzrecht profitieren kann. In der Praxis würde diese neue Rechtsform parallel zu den bestehenden nationalen Rechtsformen existieren. Für die betroffenen Unternehmen könnte dies einerseits erhebliche Vorteile mit sich bringen, darunter die Vereinfachung grenzüberschreitender Unternehmensgründungen, die Senkung von Rechtsberatungskosten und die schnellere Expansion innerhalb des europäischen Binnenmarkts.
Doch diese Parallelstruktur birgt auch Risiken. Juristisch wäre eine zusätzliche europäische Gesellschaftsform ein weiterer Komplexitätsfaktor im ohnehin vielschichtigen europäischen Rechtsraum. Unternehmen, aber auch Steuerberatende, Wirtschaftsprüfer und Finanzbehörden, müssten künftig prüfen, welches Regelwerk in welchem Fall greift. Dies erhöht den administrativen Aufwand und könnte zu Unsicherheiten bei der Rechtsanwendung führen. Hinzu kommt das Risiko eines Wettbewerbsungleichgewichts: Wenn ausgewählte innovative Unternehmen von einem vereinfachten Rechtsrahmen profitieren, während klassische Mittelständler weiterhin dem nationalen Recht unterliegen, entstehen potenziell unfaire Marktbedingungen. Aus diesem Grund plädieren viele Fachkreise für eine stärkere Harmonisierung des bestehenden Handels- und Gesellschaftsrechts, anstatt ein paralleles Regime einzuführen.
Für deutsche Unternehmen stellt sich die Frage, ob sich ein Wechsel oder eine Neugründung unter dem 28. Regime langfristig als vorteilhaft erweisen könnte. Die Antwort hängt stark von der weiteren Ausgestaltung der EU-Vorgaben ab. Unternehmen sollten die Entwicklung genau verfolgen, um rechtzeitig strategische Entscheidungen über ihre zukünftige Rechtsformtruktur treffen zu können.
Das Europäische Innovationsgesetz und seine Potenziale
Mit dem Europäischen Innovationsgesetz soll ein legislative Rahmen geschaffen werden, der die Innovationsfähigkeit der europäischen Wirtschaft stärkt. Zu den Kernzielen gehören der Abbau bürokratischer Hemmnisse, die Förderung technologieorientierter Geschäftsmodelle und die Verbesserung des Schutzes geistigen Eigentums. Besonders interessant ist der Ansatz, immaterielle Vermögenswerte, also Rechte des geistigen Eigentums, stärker in den Fokus der Unternehmensbewertung zu rücken. Dieses Thema hat für Start-ups und Digitalunternehmen große Bedeutung, da deren Bilanz oft nicht durch physische Vermögenswerte, sondern durch Ideen und technologische Entwicklungen geprägt ist.
Ein transparentes Abbilden solcher Werte im Jahresabschluss könnte die Kapitalbeschaffung erheblich erleichtern, weil Investoren und Banken dadurch ein klareres Bild von der Innovationskraft und dem Marktpotenzial eines Unternehmens erhalten. Voraussetzung ist allerdings eine praktikable, EU-weit anerkannte Bewertungsmethodik. Denkbar wäre eine Ergänzung zu bestehenden internationalen Rechnungslegungsnormen, insbesondere dem International Financial Reporting Standard, um immaterielle Werte präziser abbilden zu können. Darüber hinaus wird diskutiert, einen sogenannten Innovationsstresstest einzuführen, der prüfen soll, welche Auswirkungen künftige Rechtsvorschriften auf Innovationsprozesse haben. Ein solcher Mechanismus könnte sicherstellen, dass neue Gesetzgebungen innovationsfördernd und nicht hemmend wirken.
Besonders kleine und mittelständische Unternehmen aus forschungsintensiven Branchen wie Medizintechnik, Pflegeinnovation oder digitalem Handel könnten von solchen Maßnahmen profitieren. Sie gewinnen durch eine klarere Bewertung ihrer immateriellen Vermögenswerte sowohl intern für die Unternehmenssteuerung als auch extern im Dialog mit Kapitalgebern.
Fazit und Praxisausblick
Die derzeitigen Gesetzesinitiativen der Europäischen Union zur Förderung von Wachstum und Innovation bieten zweifellos ein großes Potenzial für die weitere wirtschaftliche Entwicklung in Europa. Gleichzeitig machen sie deutlich, dass eine Balance zwischen Harmonisierung und Wettbewerbsgleichheit gefunden werden muss. Während das 28. Regime in seiner gegenwärtigen Form eher Fragen der rechtlichen Konsistenz aufwirft, kann das Europäische Innovationsgesetz wichtige Impulse für die Weiterentwicklung von innovationsgetriebenen Geschäftsmodellen setzen. Entscheidend wird sein, dass die neuen Regelungen praxisnah ausgestaltet werden und Bürokratie nicht weiter zunimmt, sondern abnimmt.
Für kleine und mittlere Unternehmen empfiehlt es sich, die Entwicklung aufmerksam zu verfolgen und rechtzeitig ihre internen Strukturen auf zukünftige Anforderungen auszurichten. Dazu gehört insbesondere die systematische Erfassung immaterieller Werte und die Integration digitaler Prozesse in die Finanz- und Steuerplanung. Unsere Kanzlei unterstützt Unternehmen bei genau diesen Schritten – von der Optimierung buchhalterischer Abläufe über die Digitalisierung von Finanzprozessen bis hin zur strategischen Prozessberatung. Durch unsere Erfahrung mit der Digitalisierung im Mittelstand leisten wir einen wesentlichen Beitrag dazu, dass unsere Mandanten von künftigen rechtlichen und technologischen Entwicklungen bestmöglich profitieren können.
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