Aktuelle Bestätigung der EU-Liste
Der Rat der Europäischen Union hat die bestehende Liste der nicht kooperativen Länder und Gebiete für Steuerzwecke erneut ohne Änderungen bestätigt. Diese Liste dient seit ihrer Einführung im Jahr 2017 als zentrales Instrument der europäischen Steuerpolitik, um weltweit verantwortungsvolles Handeln im Steuerbereich zu fördern und aggressive Steuerpraktiken einzudämmen. Sie enthält aktuell elf Gebiete, die nach Einschätzung der EU weiterhin Defizite in der internationalen Steuerkooperation aufweisen. Dazu zählen unter anderem Amerikanisch-Samoa, Anguilla, Fidschi, Guam, Palau, Panama, Russland, Samoa, Trinidad und Tobago, die Amerikanischen Jungferninseln sowie Vanuatu. Die Mitgliedstaaten sehen trotz erster Verbesserungen bei einzelnen Ländern noch keinen ausreichenden Fortschritt, um Anpassungen der Liste vorzunehmen.
Für die betroffenen Staaten bedeutet die Einstufung als nicht kooperativ, dass sie unter verstärkte Beobachtung fallen und in bestimmten Fällen mit restriktiven Maßnahmen, etwa bei der Vergabe von EU-Mitteln oder bei geschäftlichen Beziehungen mit europäischen Unternehmen, rechnen müssen. Diese Maßnahmen sollen sicherstellen, dass Steuertransparenz, Informationsaustausch und gerechte Besteuerung nach europäischen Standards gefördert werden.
Hintergrund und Zielsetzung der Liste
Die Einführung der EU-Liste nicht kooperativer Steuergebiete ist Teil der externen Steuerstrategie der Europäischen Union. Ziel ist es, steuerliche Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und eine faire internationale Besteuerung sicherzustellen. Die Einstufung eines Landes erfolgt auf Grundlage von drei zentralen Kriterien, die in Kooperation mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) entwickelt wurden. Diese betreffen die Steuertransparenz, die Steuergerechtigkeit und die Umsetzung von Standards zur Verhinderung von Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung, die in der Fachsprache als Base Erosion and Profit Shifting bezeichnet werden.
Unternehmen jeder Größe, die Geschäftsbeziehungen zu Ländern mit unzureichender Steuerkooperation unterhalten, sind von den Konsequenzen dieser Liste potenziell betroffen. Für kleine und mittelständische Unternehmen mit internationalen Lieferketten kann die Einschätzung der EU erhebliche steuerliche Risiken oder zusätzliche Nachweispflichten mit sich bringen. Banken und Finanzinstitute wiederum müssen bei Transaktionen mit diesen Gebieten verstärkte Sorgfaltspflichten erfüllen, was den administrativen Aufwand in der Compliance erhöht.
Auswirkungen auf Praxis und Unternehmensstrategien
Für viele Unternehmerinnen und Unternehmer ist entscheidend, welche konkreten Folgen sich aus der Zugehörigkeit eines Landes zur EU-Liste ergeben. Zunächst steht weniger die unmittelbare steuerliche Belastung im Vordergrund, sondern vielmehr die Notwendigkeit, internationale Strukturen und Geschäftsbeziehungen unter dem Gesichtspunkt der Steuerehrlichkeit zu prüfen. Steuerberaterinnen und Steuerberater sowie Finanzabteilungen stehen daher vor der Aufgabe, Verträge, Zahlungsströme und Beteiligungsstrukturen regelmäßig zu analysieren, um unbeabsichtigte Reputations- oder Haftungsrisiken zu vermeiden.
Ein wichtiger Aspekt ist dabei der automatische Informationsaustausch über Finanzkonten, der in der Europäischen Union und vielen Partnerstaaten Standard geworden ist. Länder, die sich weigern, diesen Austausch zu implementieren oder nur unzureichend durchführen, werden häufig als nicht kooperativ eingestuft. Ein aktuelles Beispiel liefert Montenegro, das sich nun verpflichtet hat, die Qualität seines automatischen Austauschs zu verbessern. Ähnlich verhält es sich mit Staaten, die beim sogenannten Country-by-Country Reporting, also der verpflichtenden länderbezogenen Berichterstattung multinationaler Unternehmen, hinter internationalen Mindeststandards zurückbleiben.
Für international tätige kleine und mittelständische Unternehmen, zum Beispiel aus dem Onlinehandel oder dem produzierenden Gewerbe, kann es ratsam sein, die eigene Nutzung von Offshore-Dienstleistungen kritisch zu betrachten. Auch wenn diese nicht zwangsläufig unzulässig sind, steigt das Risiko der Einstufung bestimmter Strukturen als potenziell missbräuchlich. Eine transparente Dokumentation aller wirtschaftlichen Aktivitäten und steuerlichen Flüsse bleibt damit eine der zentralen Maßnahmen zur Risikominimierung.
Perspektiven und Bedeutung für die Zukunft
Der Prozess der Überprüfung der Liste ist dynamisch angelegt und wird derzeit zweimal jährlich vorgenommen. In künftigen Überarbeitungen – die nächste ist für Februar 2026 vorgesehen – könnten Änderungen sowohl durch Fortschritte in den Reformprozessen einzelner Staaten als auch durch neue internationale Vereinbarungen entstehen. Dabei wird die Gruppe „Verhaltenskodex“ innerhalb des Rates weiterhin eng mit globalen Organisationen wie dem OECD-Forum über schädliche Steuerpraktiken zusammenarbeiten. Diese koordinierte Vorgehensweise soll dazu beitragen, dass durch freiwillige Anpassungen in den erfassten Ländern langfristig ein höheres Maß an Steuergerechtigkeit erzielt wird.
Für Unternehmen innerhalb der Europäischen Union bleibt die Beobachtung dieser Entwicklungen von hoher Relevanz. Steuerplanungsstrategien, die bisher auf Zwischenholdings oder Gesellschaften in Niedrigsteuerländern basierten, werden zunehmend kritisch hinterfragt. Die Anforderungen an steuerliche Transparenz, Compliance und Governance steigen stetig und betreffen auch kleinere Unternehmen, die in internationale Lieferketten eingebunden sind. Eine frühzeitige Analyse der Compliance-Anforderungen und strukturierte Anpassungen an neue rechtliche Rahmenbedingungen können dabei helfen, Risiken zu vermeiden und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
Im Ergebnis zeigt sich, dass die Stabilität der Liste kein Zeichen mangelnder Handlungsbereitschaft der EU ist, sondern Ausdruck einer langfristig angelegten, konsistenten Steuerpolitik. Der europäische Ansatz setzt weniger auf kurzfristigen politischen Druck, sondern auf nachhaltige Kooperation und Reformbereitschaft internationaler Partner. Für inländische Unternehmen bedeutet dies, dass sie weiterhin hohe Standards in Transparenz- und Dokumentationspflichten erfüllen müssen, gleichzeitig aber auch auf eine zunehmende internationale Harmonisierung hoffen dürfen.
Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen bei der Umsetzung dieser Anforderungen. Durch unser spezielles Know-how in der Digitalisierung und Prozessoptimierung der Buchhaltung unterstützen wir Mandanten, steuerliche Abläufe effizienter zu gestalten und langfristig deutliche Kostenvorteile zu erzielen. Unser Ziel ist es, Betriebe jeder Größe dabei zu begleiten, ihre steuerlichen Prozesse zukunftssicher und compliant auszurichten.
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