Neuer Zeitrahmen für die Umsetzung des EU-Entwaldungsgesetzes
Das EU-Entwaldungsgesetz ist ein zentraler Baustein der europäischen Klimapolitik. Sein Ziel ist es, sicherzustellen, dass Produkte, die in der Europäischen Union verkauft oder importiert werden, nicht aus Flächen stammen, die durch Entwaldung zerstört wurden. Unter Entwaldung versteht man die dauerhafte Umwandlung von Waldflächen in landwirtschaftlich oder industriell genutzte Gebiete. Das Gesetz richtet sich insbesondere an Unternehmen, die mit Rohstoffen wie Kaffee, Kakao, Palmöl, Soja, Holz, Kautschuk und Rindfleisch handeln oder Produkte daraus herstellen. Diese Güter zählen zu den Haupttreibern globaler Entwaldungsprozesse, die nach Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen jährlich Millionen Hektar Wald vernichten. Nun hat das Europäische Parlament einen entscheidenden Aufschub beschlossen: Unternehmen erhalten ein zusätzliches Jahr, um die neuen Compliance-Anforderungen zu erfüllen.
Für große Marktteilnehmer und Händler wird die verpflichtende Anwendung der Verordnung nun erst ab dem 30. Dezember 2026 fällig. Kleinere Marktteilnehmer – also solche mit weniger als 50 Beschäftigten und einem Jahresumsatz unter 10 Millionen Euro – müssen die Vorgaben erst ab dem 30. Juni 2027 umsetzen. Dies soll einen geordneten Übergang ermöglichen und den Unternehmen Zeit geben, die erforderlichen Strukturen, insbesondere im Bereich der elektronischen Nachverfolgung und IT-Systeme, aufzubauen. Gerade kleinere Akteure stehen hier vor erheblichen administrativen und technischen Herausforderungen, die den normalen Geschäftsbetrieb belasten könnten.
Vereinfachte Sorgfaltspflichten und neue Nachweisanforderungen
Ein Kernpunkt der jüngsten Einigung betrifft die Anpassung der sogenannten Sorgfaltspflicht. Diese verpflichtet Unternehmen, die Herkunft ihrer Rohstoffe transparent zu machen und nachzuweisen, dass deren Produktion oder Gewinnung nicht zur Entwaldung beigetragen hat. Sorgfaltspflichten sind ein rechtsverbindliches Instrument, das Unternehmen dazu anhält, Risiken in ihrer Lieferkette aktiv zu identifizieren und zu minimieren. Die nun vereinfachte Regelung sieht vor, dass kleine und kleinste Primärerzeuger künftig nur noch eine einmalige vereinfachte Erklärung abgeben müssen. Mit dieser Erklärung dokumentieren sie, dass ihre Erzeugnisse den Nachhaltigkeitsanforderungen entsprechen. Für alle weiteren Akteure entlang der Lieferkette entfällt die Pflicht zur wiederholten Abgabe, sofern die Erklärungen der Erzeuger vorliegen. Damit wird die Bürokratie insbesondere für kleine Betriebe, Landwirte und Händler erheblich reduziert.
Darüber hinaus wird künftig nur noch das Unternehmen für die Sorgfaltserklärung verantwortlich sein, das ein entsprechendes Produkt erstmalig auf den EU-Binnenmarkt bringt. Alle nachgelagerten Handelsstufen – etwa Großhändler oder Einzelhändler – werden von dieser Verpflichtung entbunden. Dies stellt eine spürbare Entlastung dar, insbesondere für kleinere Handelsunternehmen und mittelständische Betriebe im Agrar- und Lebensmittelsektor. Die grundlegenden Nachhaltigkeitsziele des Gesetzes bleiben dabei unverändert bestehen: Produkte sollen nur dann in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie entwaldungsfrei sind und aus Gebieten stammen, in denen keine Waldzerstörung nach dem Stichtag erfolgt ist.
Praktische Auswirkungen und Handlungsempfehlungen für Unternehmen
Für Unternehmen bedeutet der beschlossene Aufschub keinesfalls eine Pause, sondern vielmehr eine Gelegenheit, die Umsetzung strategisch vorzubereiten. Die Erstellung von Rückverfolgbarkeitssystemen stellt einen komplexen Vorgang dar, der frühzeitig geplant werden sollte. Insbesondere Produzenten, Importeure und Händler müssen ihre Lieferantenstruktur analysieren und geeignete Nachweisprozesse entwickeln. Dabei spielen digitale Systeme eine entscheidende Rolle: Nur mit einer automatisierten, standardisierten Datenerfassung lässt sich der geforderte Dokumentationsaufwand effizient handhaben. Es ist zu erwarten, dass die EU-Kommission im Laufe des Jahres 2026 ein Bewertungssystem vorstellen wird, das den Verwaltungsaufwand für Kleinunternehmen nochmals untersucht und gegebenenfalls weiter anpasst. Diese Dynamik macht es erforderlich, flexibel zu bleiben und die eigenen Prozesse laufend anhand der veröffentlichten Leitlinien zu überprüfen.
Ein wichtiger Punkt ist die Zusammenarbeit innerhalb der Lieferketten. Viele kleine und mittelständische Unternehmen, etwa im Lebensmittel- oder Holzwarenhandel, sind auf transparente Informationen ihrer Zulieferer angewiesen. Eine frühzeitige Kommunikation und die gemeinsame Entwicklung von Nachweisstrukturen reduzieren spätere Risiken. Parallel dazu sollte die Dokumentation der Herkunftsnachweise revisionssicher in den digitalen Buchhaltungs- und Warenwirtschaftssystemen hinterlegt werden. So lassen sich im Fall einer behördlichen Prüfung unkompliziert alle notwendigen Unterlagen vorlegen. Gerade für Betriebe, die auf internationale Lieferstrukturen zurückgreifen, wird die Integration in ein einheitliches IT-System entscheidend sein, um Nachweise automatisiert und ohne übermäßigen Verwaltungsaufwand zu erstellen.
Fazit: Chancen und Umsetzungsperspektiven für den Mittelstand
Das überarbeitete EU-Entwaldungsgesetz zeigt, dass Nachhaltigkeit, Rechtssicherheit und Wirtschaftlichkeit im europäischen Binnenmarkt miteinander in Einklang gebracht werden können. Durch den Aufschub und die vereinfachte Sorgfaltspflicht sollen Unternehmen die Möglichkeit erhalten, ihre Prozesse ohne übermäßige Belastung an die neuen Anforderungen anzupassen. Gleichzeitig bleibt der ökologische Anspruch der Regelung erhalten. Für Unternehmen jeder Größe, insbesondere für kleine und mittelständische Betriebe, eröffnet sich die Chance, Nachhaltigkeit als Wettbewerbsfaktor aktiv zu gestalten. Wer frühzeitig in IT-gestützte Nachweissysteme investiert und interne Abläufe optimiert, schafft nicht nur gesetzliche Compliance, sondern auch langfristige Effizienzvorteile.
Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen bei der Einführung digitaler Prozess- und Buchhaltungslösungen, um gesetzliche Anforderungen wie das Entwaldungsgesetz effizient zu erfüllen. Mit unserem Schwerpunkt auf Prozessoptimierung und Digitalisierung unterstützen wir Mandanten dabei, Transparenz in den Lieferketten herzustellen, Abläufe zu automatisieren und signifikante Kostenersparnisse zu realisieren. Dabei profitieren wir von langjähriger Erfahrung in der Gestaltung moderner, rechtssicherer Unternehmensprozesse.
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