Einleitung: Der strategische Kurs der EU-Kommission für 2026
Mit ihrem neuen Arbeitsprogramm für das Jahr 2026 hat die Europäische Kommission am 21. Oktober 2025 einen klaren Fahrplan für die politische und wirtschaftliche Ausrichtung der Europäischen Union vorgestellt. Insgesamt umfasst das Programm 38 neue Initiativen, 20 Evaluierungen und 25 Vorschläge zur Rücknahme bestehender Gesetzesentwürfe. Im Mittelpunkt steht die Entlastung von Unternehmen sowie die Förderung einer innovationsorientierten und nachhaltigen Wirtschaft. Für kleine und mittelständische Unternehmen markiert dieses Arbeitsprogramm eine wegweisende Entwicklung, da zahlreiche Maßnahmen gezielt auf ihre Bedürfnisse und Herausforderungen zugeschnitten sind.
Besonderes Augenmerk legt die Kommission auf die Reduktion bürokratischer Hürden. Die Zielsetzung, den Verwaltungsaufwand um 25 Prozent insgesamt und um 35 Prozent speziell für kleine und mittlere Unternehmen zu senken, verdeutlicht den Anspruch, Europa als Wirtschaftsraum effizienter und wettbewerbsfähiger zu gestalten. Für Unternehmer eröffnet sich hier die Chance, von einer spürbaren Verwaltungsvereinfachung und einer klareren rechtlichen Struktur zu profitieren, insbesondere im Steuer- und Digitalbereich.
Bürokratieabbau und Steuervereinfachung als Kernziel
Die Kommission greift ein zentrales Anliegen der Wirtschaft auf: die Vereinfachung steuerlicher Vorschriften und die Reduktion wirtschaftsnaher Bürokratie. Mit dem angekündigten Projekt „Omnibus on Taxation“, das im zweiten Quartal 2026 vorgestellt werden soll, soll ein harmonisiertes und zugleich praxisorientiertes Regelwerk entstehen, um Steuerverfahren in den Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen. Dies betrifft insbesondere die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie sowie Regelungen zur Unternehmensbesteuerung, die künftig stärker digital und grenzüberschreitend ausgerichtet werden sollen.
Viele zuvor geplante Richtlinien werden hingegen verworfen, um gesetzliche Doppelstrukturen zu vermeiden. So werden etwa der „Unshell Proposal“, der die Bekämpfung von sogenannten Briefkastenfirmen regelte, der „Transfer Pricing Proposal“ zu konzerninternen Verrechnungspreisen sowie der Entwurf zur „Debt-Equity Bias Reduction Allowance“ (DEBRA) aufgehoben. Diese Rücknahmen sollen den Rahmen für eine moderne, fokussierte Steuerpolitik schaffen, die auf Harmonisierung und digitale Umsetzbarkeit setzt. Für Unternehmer bedeutet dies eine Vereinfachung der rechtlichen Steuerlandschaft. Durch einheitlichere Vorgaben innerhalb der EU verringert sich der Koordinationsaufwand insbesondere für grenzüberschreitend tätige Unternehmen, wie internationale Onlinehändler oder industrielle Mittelständler mit Tochtergesellschaften in mehreren Staaten.
Darüber hinaus ist vorgesehen, veraltete oder komplex gewordene Regelwerke auf ihre Notwendigkeit zu prüfen. Das betrifft auch Initiativen wie die Finanztransaktionssteuer, die seit Jahren diskutiert, aber nie umgesetzt wurde. Der europäische Gesetzgeber verfolgt damit das übergeordnete Ziel, Rechtssicherheit zu schaffen, ohne die Flexibilität der Mitgliedsstaaten übermäßig einzuschränken. In steuerrechtlicher Hinsicht dürfte dies zukünftig zu einer stärkeren Digitalisierung von Meldepflichten, zu vereinfachten Antragsverfahren und zu einem verbesserten Informationsaustausch zwischen nationalen Finanzverwaltungen führen.
Digitalisierung und Binnenmarkt als Wachstumstreiber
Ein weiterer Schwerpunkt des Arbeitsprogramms liegt auf der Stärkung des europäischen Binnenmarkts. Bis 2028 sollen vorhandene Marktbarrieren in den Bereichen Kapital, Energie, Dienstleistungen und Telekommunikation weiter abgebaut werden. Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen gegenüber globalen Akteuren zu erhöhen und die Mobilität von Kapital und Wissen innerhalb Europas auszubauen. Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die geplante Einführung einer sogenannten „fünften Freiheit“ für Wissen und Innovation. Hiermit will die Kommission den Austausch von Forschungsdaten und Technologien zwischen Unternehmen, Hochschulen und Start-ups erleichtern, um Innovationszyklen zu verkürzen.
Für die digitale Wirtschaft sind insbesondere zwei Gesetzesvorhaben hervorzuheben: der „Cloud and AI Development Act“, der bereits im ersten Quartal 2026 vorgestellt werden soll, sowie der „Quantum Act“, der für das dritte Quartal 2026 angekündigt ist. Beide Initiativen zielen darauf ab, Rechenkapazitäten auszubauen, Investitionen in Hochleistungsrechenzentren zu fördern und die Standardisierung im Bereich Künstlicher Intelligenz sowie der Quantenverschlüsselung voranzutreiben. Gerade datengetriebene Geschäftsmodelle im E-Commerce oder in der Gesundheitswirtschaft könnten unmittelbar von diesen Entwicklungen profitieren, da sie künftig auf zuverlässigere, interoperable und sicherere Infrastrukturen zurückgreifen können.
Für viele Unternehmen bedeutet das neue Programm eine doppelte Chance: einerseits Kostensenkungen durch administrative Vereinfachung, andererseits langfristige Wettbewerbsvorteile durch digitale Investitionsförderung. Die Weichenstellungen der Kommission wirken damit sowohl ordnungspolitisch als auch strategisch, indem sie moderne Unternehmensstrukturen begünstigen und die Vernetzung zwischen Marktteilnehmenden vertiefen.
Nachhaltigkeit und sozial ausgewogene Marktordnung
Der dritte große Themenkomplex des Arbeitsprogramms betrifft die Umsetzung der europäischen Nachhaltigkeitsstrategie. Mit dem angekündigten „Circular Economy Act“ soll die zirkuläre Wirtschaft gestärkt werden, indem Unternehmen Anreize erhalten, Rohstoffe effizienter zu nutzen und Produkte ressourcenschonend zu gestalten. Gleichzeitig will die Kommission mit dem „Clean Industrial Deal“ und der Reform des europäischen Vergaberechts sicherstellen, dass europäische Waren und Dienstleistungen bei öffentlichen Ausschreibungen verstärkt berücksichtigt werden. Diese Politik der sogenannten strategischen Autonomie könnte insbesondere im produzierenden Mittelstand neue Perspektiven eröffnen, da sich regionale Wertschöpfungsketten verstetigen und nachhaltige Produktionsprozesse wirtschaftlich lohnen können.
Ergänzend adressiert die Kommission den sozialen Bereich mit einer Reihe von Maßnahmen, darunter der „Quality Jobs Act“, der faire Beschäftigungsverhältnisse in der Plattformökonomie fördern soll, und Initiativen zur Portabilität von Qualifikationen, die Mobilität von Fachkräften erleichtern. Die Einführung einer europäischen Sozialversicherungskarte, die administrative Prozesse für Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinfachen soll, rundet diesen Komplex ab. Damit trägt das Arbeitsprogramm dem Konzept einer wettbewerbsfähigen, aber sozial ausgewogenen Marktordnung Rechnung, die Stabilität und Planbarkeit für Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen gewährleisten soll.
Fazit: Potenziale für den Mittelstand und die Bedeutung digitaler Prozesse
Das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2026 zeigt eine klare Richtung: Weniger Bürokratie, mehr Effizienz und eine tiefgreifende Modernisierung der Wirtschaft. Für mittelständische Unternehmen und Selbständige eröffnet dies eine seltene Gelegenheit, von politisch abgestimmten Vereinfachungs- und Digitalisierungsstrategien zu profitieren. Die kommenden Jahre werden maßgeblich davon abhängen, inwieweit diese Initiativen tatsächlich umgesetzt und in nationales Recht transferiert werden. Unternehmen sollten sich bereits jetzt strategisch auf vereinfachte Steuerprozesse, elektronische Berichtspflichten und neue Förderinstrumente vorbereiten, um die damit verbundenen Vorteile voll auszuschöpfen.
Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittlere Unternehmen auf diesem Weg und unterstützt sie bei der Digitalisierung und Prozessoptimierung ihrer Buchhaltungs- und Finanzprozesse. Durch unsere Erfahrung in der Automatisierung administrativer Abläufe und der Einführung effizienter Arbeitsstrukturen helfen wir, die mit diesen EU-Initiativen verbundenen Chancen konkret nutzbar zu machen und dadurch nachhaltige Kostenvorteile zu erzielen.
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