Gesellschaftsgründungen im digitalen Wandel
Die fortschreitende Digitalisierung im Gesellschaftsrecht eröffnet neue Möglichkeiten für Unternehmen und ihre Berater. Ein aktueller Gesetzentwurf des Bundesministeriums der Justiz sieht vor, dass künftig mehr Erklärungen im Rahmen der Gründungsphase von Gesellschaften elektronisch beurkundet oder beglaubigt werden können. Damit wird ein weiterer Schritt in Richtung konsequenter Digitalisierung notarieller Prozesse vollzogen, der jedoch mit Bedacht umgesetzt werden soll. Ziel ist es, den gesamten Gründungsvorgang effizienter, ortsunabhängig und rechtssicher zu gestalten.
Bereits jetzt erlaubt das Gesetz über die Beurkundung der durch Videokommunikation abgegebenen Willenserklärungen die elektronische Durchführung bestimmter Registeranmeldungen, etwa beim Handels-, Gesellschafts- oder Partnerschaftsregister. Diese Möglichkeit wird bisher vorrangig bei der Gründung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung genutzt. Der neue Entwurf sieht vor, diese Verfahren auszuweiten und künftig auch weitere gesellschaftsrechtlich relevante Vorgänge, wie etwa die Gründung von Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften auf Aktien, online zuzulassen. Auch Anmeldungen zum Stiftungsregister sollen elektronisch möglich werden.
Rechtliche und technische Rahmenbedingungen
Der Begriff der Beurkundung beschreibt die formgebundene Aufnahme einer Willenserklärung durch eine Notarin oder einen Notar, wodurch sie öffentlichen Glauben erlangt. Mit der Einführung elektronischer Beurkundungen wird dieses Grundprinzip in den digitalen Raum übertragen. Notarinnen und Notare können dabei mittels einer sicheren Videokommunikation die Identität der Beteiligten feststellen, Erklärungen aufnehmen und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Diese Signatur ersetzt das bisher notwendige physische Unterschriftenverfahren und stellt die Echtheit und Integrität des Dokuments sicher.
Damit dieses Verfahren praktikabel und sicher ist, ist der Besitz eines elektronischen Identitätsnachweises, also eines Personalausweises mit aktivierter Online-Ausweisfunktion, erforderlich. Die bisherigen Erfahrungen zeigen allerdings, dass eine Vielzahl von Beteiligten diese technischen Voraussetzungen noch nicht vollständig erfüllt. Häufig fehlt die zugehörige PIN oder die Anwendungskenntnis, um den Ausweis im Online-Verfahren anzuwenden. Dies führt in der Praxis dazu, dass viele Gründungen weiterhin bevorzugt klassisch im Notartermin vor Ort durchgeführt werden.
Bewertung und Position der Berufsverbände
Die Bundesrechtsanwaltskammer begrüßt die geplante Erweiterung grundsätzlich, betont jedoch die Notwendigkeit einer fundierten Etablierung der bestehenden Online-Beurkundungsverfahren, bevor eine Ausweitung erfolgt. Aus ihrer Sicht müssen zunächst Akzeptanz, Sicherheit und technische Verlässlichkeit gewährleistet sein. Erst wenn die bisherigen digitalen Verfahren in der Praxis flächendeckend funktionieren, lässt sich eine Erweiterung auf komplexere Sachverhalte rechtfertigen.
Die zurückhaltende Position der Berufsverbände erklärt sich aus der Bedeutung der notariellen Tätigkeit für die Rechtssicherheit. Die notarielle Beurkundung erfüllt eine Schutzfunktion für alle Beteiligten, indem sie Aufklärungspflichten, Authentizität und Beweiswert sicherstellt. Diese Funktionen dürfen durch den digitalen Wandel nicht beeinträchtigt werden. Deshalb ist entscheidend, dass digitale Verfahren stets den gleichen rechtlichen Standard erfüllen wie ihre analogen Pendants. Im Ergebnis wird eine maßvolle Ausweitung favorisiert, welche zunächst die technischen und praktischen Grundlagen konsolidiert, bevor sie komplexere Verfahren umfasst.
Praxisrelevanz für Unternehmen und Kanzleien
Für Unternehmerinnen und Unternehmer, die regelmäßig Gründungsvorgänge oder Änderungen im Gesellschaftsregister durchführen, eröffnet sich durch die Digitalisierung ein erheblicher Effizienzgewinn. Zeit- und ortsunabhängige Beurkundungen sparen administrative Aufwände, insbesondere bei international aufgestellten Unternehmen oder solchen mit mehreren Gesellschaftern an verschiedenen Standorten. Auch kleine und mittlere Unternehmen profitieren davon, da sich Kosten für Reisen und Terminabstimmungen reduzieren lassen. Für Steuerberaterinnen, Rechtsanwälte und Unternehmensberater ergeben sich neue Gestaltungsspielräume, um Prozesse in der Mandatsbetreuung schlanker und digitaler zu gestalten.
Damit diese Vorteile realisiert werden können, ist jedoch eine sorgfältige Vorbereitung notwendig. Unternehmen sollten prüfen, ob die verantwortlichen Personen über die benötigten digitalen Ausweisdokumente samt PIN verfügen und wie die interne IT-Sicherheit organisiert ist. Auch Notarinnen und Notare müssen ihre digitalen Arbeitsprozesse weiter professionalisieren und darauf achten, dass technische Plattformen datenschutzkonform betrieben werden. Die Umsetzung erfordert im Ergebnis einen verantwortungsbewussten Umgang mit Technologie, rechtlicher Präzision und organisatorischer Erfahrung. Das Vertrauen in das notarielle System bleibt dabei das zentrale Element, das durch Transparenz und eine einfach nutzbare digitale Infrastruktur gestärkt werden muss.
Die kommenden Monate werden zeigen, inwieweit die von der Bundesrechtsanwaltskammer geforderte schrittweise Umsetzung gelingt. Klar ist schon heute, dass der digitale Wandel auch im Gesellschaftsrecht unumkehrbar voranschreitet und künftig ein noch wesentlicherer Bestandteil der Wirtschaftspraxis sein wird. Wir begleiten unsere Mandantinnen und Mandanten bei dieser Transformation, indem wir kleine und mittelständische Unternehmen in der Prozessoptimierung der Buchhaltung und bei der Umsetzung digitaler Lösungen unterstützen. Unsere Erfahrung zeigt, dass Digitalisierung nicht nur die Rechtssicherheit wahrt, sondern zugleich erhebliche Kostenvorteile und Effizienzgewinne mit sich bringt.
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