Einordnung und rechtlicher Hintergrund
Das Thema des häuslichen Arbeitszimmers spielt in der Praxis der Einkommensteuererklärung seit Jahren eine bedeutende Rolle, insbesondere für Freiberuflerinnen und Freiberufler, die Teile ihrer privaten Wohnräume auch beruflich nutzen. Die zentrale Frage lautet dabei, ob und in welchem Umfang die Aufwendungen für solche Räume steuerlich als Betriebsausgaben berücksichtigt werden dürfen. Aktuell wurde diese Thematik erneut durch die Entscheidung des Finanzgerichts Münster vom 28. August 2024 (Az. 2 K 1243/20 E) beleuchtet, dessen Ausgang für zahlreiche kleine und mittlere Unternehmen, Selbstständige und sonstige Berufsgruppen von unmittelbarer Bedeutung ist.
Das Einkommensteuergesetz sieht in § 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 6b vor, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer grundsätzlich nicht abzugsfähig sind, es sei denn, der Raum steht dem Steuerpflichtigen für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit zur Verfügung und bildet den Mittelpunkt der gesamten Tätigkeit. Ist dies nicht der Fall, darf der Abzug auf 1.250 Euro jährlich begrenzt erfolgen. Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers beschreibt dabei Arbeitsräume, die der häuslichen Sphäre zugeordnet sind, also Teil der privaten Wohnung oder des privaten Hauses bleiben. Wird der Raum dagegen als betriebsstättenähnlich, also etwa für Publikumsverkehr oder Mitarbeiterarbeit, genutzt, entfällt die Einstufung als häusliches Arbeitszimmer.
Der entschiedene Sachverhalt und seine Bedeutung
Im besagten Fall nutzte ein freiberuflich tätiger Musiker verschiedene Räume seines Wohnhauses sowohl für künstlerische als auch für organisatorische Tätigkeiten. Dazu gehörten ein Arbeitszimmer, ein Musikzimmer sowie weitere Räume wie eine Galerie und ein Lager. Der Musiker machte jährlich Betriebsausgaben in einer Größenordnung zwischen 15.000 und 20.000 Euro geltend, da er den überwiegenden Teil dieser Räume nach eigener Auffassung betrieblich nutzte. Das Finanzamt erkannte jedoch lediglich das Arbeitszimmer sowie das Musikzimmer als eine Einheit an und ließ den Betriebsausgabenabzug deshalb nur in Höhe von 1.250 Euro zu.
Die Richterinnen und Richter folgten im Ergebnis der Auffassung des Finanzamts. Sie stellten fest, dass die Nutzung der beiden Räume des Klägers als funktionale Einheit zu beurteilen sei und diese Einheit in die private Wohnsphäre eingebettet sei. Damit liege ein häusliches Arbeitszimmer im Sinne des Gesetzes vor. Dass mehrere Zimmer verbunden genutzt werden, ändere daran nichts, solange keine klare Trennung zur privaten Nutzung besteht und die Räume nicht für den allgemeinen Publikumsverkehr zugänglich sind. Die übrigen Räume, einschließlich Küche, Flure und Gästezimmer, dienten nach ihrem Erscheinungsbild weiterhin privaten Zwecken und waren daher steuerlich nicht zu berücksichtigen.
Besonderes Augenmerk legte das Gericht auf den Umstand, dass sich der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit des Musikers nicht in den häuslichen Räumen, sondern an den Auftritts- und Unterrichtsorten befand. Dort wurden die wesentlichen Leistungen erbracht, während die häuslichen Räume im Wesentlichen der Vorbereitung und Nachbereitung dienten. Damit war der Abzug auf den gesetzlich zulässigen Höchstbetrag von 1.250 Euro begrenzt.
Rechtliche Bewertung und mögliche Folgen der BFH-Revision
Die Entscheidung des Finanzgerichts Münster ist aus juristischer Sicht konsequent, folgt sie doch der gefestigten Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen häuslichem Arbeitszimmer und betrieblicher Betriebsstätte. Eine andere Wertung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die berufliche Tätigkeit ausschließlich oder überwiegend in den häuslichen Räumen stattfände. Allerdings hat der Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 18. November 2025 (Az. VIII S 27/24 (AdV)) die Revision zugelassen, da er offenließ, ob bei funktional zusammenhängender Nutzung mehrerer Räume – etwa wenn Ehepartner in die Tätigkeit eingebunden sind – eine weitergehende Einheit vorliegen kann, die eine andere steuerliche Behandlung rechtfertigt.
Für die Praxis bedeutet dies, dass Freiberufler und Selbstständige derzeit besonders aufmerksam prüfen sollten, ob ihre häuslich genutzten Räume nach dem äußeren Erscheinungsbild tatsächlich beruflich geprägt sind. Entscheidend ist nicht allein die berufliche Nutzung, sondern auch, ob die Räume für Dritte zugänglich sind und ob die wesentlichen Tätigkeiten dort stattfinden. Sollte der Bundesfinanzhof zu einer großzügigeren Auslegung gelangen, könnten sich für viele Berufsgruppen – etwa selbstständige Lehrkräfte, Psychotherapeutinnen, Musiker oder Coaches – neue Gestaltungsspielräume ergeben. Bis zur endgültigen Entscheidung sollte jedoch weiterhin die restriktive Auffassung des Finanzgerichts Münster zugrunde gelegt werden.
Praxisrelevante Überlegungen und Handlungsempfehlungen
Für kleinere Unternehmen und Freiberufler ist es empfehlenswert, die betriebliche Nutzung von Räumen detailliert zu dokumentieren. Fotos, Raumpläne, Belegungsnachweise oder Stundenaufzeichnungen können helfen, eine klare Abgrenzung zwischen privater und beruflicher Sphäre nachzuweisen. Insbesondere dann, wenn mehrere Räume genutzt werden, ist eine funktionale und organisatorische Trennung nachvollziehbar darzustellen, um die steuerliche Anerkennung zu sichern. Bei gemischt genutzten Räumen sollte eine anteilige Aufteilung anhand objektiver Kriterien erfolgen. Wichtig ist zudem, dass der Nachweis über den qualitativen Mittelpunkt der Tätigkeit nicht allein durch den Zeitaufwand geführt werden kann. Vielmehr kommt es darauf an, wo die prägenden Leistungen erbracht werden, die den Kern der beruflichen Tätigkeit ausmachen.
Im Falle eines späteren Rechtssiegs vor dem Bundesfinanzhof könnte sich für Personen mit mehreren beruflich genutzten Räumen ein erhöhter Betriebsausgabenabzug ergeben, sofern diese Räume tatsächlich eine funktionale und wirtschaftliche Einheit bilden. Dies würde zu einer spürbaren steuerlichen Entlastung führen, insbesondere für Berufsgruppen, deren Tätigkeit sich sowohl künstlerisch-kreativ als auch administrativ auf mehrere häusliche Räume verteilt. Bis dahin bleibt jedoch die Begrenzung auf 1.250 Euro als gesetzlicher Maßstab verbindlich.
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