Rechtlicher Hintergrund und Bedeutung für die Praxis
Mit Urteil vom 17. Juni 2025 (Az. VI R 15/23) hat der Bundesfinanzhof eine Entscheidung getroffen, die für Unternehmerinnen, Unternehmer und Gesellschafter von Kapitalgesellschaften gleichermaßen von erheblicher steuerlicher Relevanz ist. Der Gerichtshof befasste sich mit der Frage, ob ersparte Mietaufwendungen unter bestimmten Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Einkommensteuergesetz abziehbar sein können. Eine außergewöhnliche Belastung liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrheit der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands entstehen und diese nicht aus freien Stücken, sondern aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen unvermeidbar sind. Dabei ist insbesondere die Angemessenheit der Aufwendungen zu prüfen, wobei sich die Zwangsläufigkeit sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ergeben muss.
Im Mittelpunkt des Falls stand eine Gesellschafterin, die aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen ein behindertengerechtes Wohnhaus errichten ließ. Da sie das Gebäude unentgeltlich bewohnte, ergaben sich verdeckte Gewinnausschüttungen, die steuerlich als Einnahmen zu berücksichtigen waren. Gleichzeitig stellte sich die Frage, ob die auf die gesundheitliche Einschränkung zurückzuführenden Mehrkosten, die durch das unentgeltliche Wohnen anfallen bzw. Mietaufwendungen ersparen, steuerlich als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden können.
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs
Der Bundesfinanzhof bestätigte, dass ersparte Mietaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sein können, soweit sie einen behinderungsbedingten Mehraufwand darstellen. Maßgeblich ist, ob die betreffenden Aufwendungen zwangsläufig entstehen und ob sie über das hinausgehen, was bei einer gesunden Person üblich wäre. Dabei legte das Gericht besonderes Augenmerk auf die Unterscheidung zwischen privater Lebensführung und zwangsläufiger Belastung. Grundsätzlich gilt, dass die Herstellung, Anschaffung oder Nutzung von Wohnraum typischerweise der privaten Lebensführung zuzurechnen ist und somit steuerlich nicht berücksichtigt wird. Anders verhält es sich, wenn spezifische Umstände, etwa eine gesundheitliche Beeinträchtigung, eine andere Beurteilung rechtfertigen. In diesen Fällen kann ein zusätzlicher finanzieller Aufwand als zwangsläufig gelten.
Das Gericht stellte klar, dass bei der Beurteilung, ob Aufwendungen notwendig und angemessen im Sinne des § 33 Abs. 2 Einkommensteuergesetz sind, kein freies Ermessen des Steuerpflichtigen besteht. Es kommt vielmehr auf eine objektive Prüfung an, die sich an medizinischen oder tatsächlichen Notwendigkeiten orientiert. Damit schafft das Urteil Rechtssicherheit sowohl für betroffene Privatpersonen als auch für Unternehmerinnen und Unternehmer, die in ihrer Gesellschaftsstruktur mit ähnlichen Konstellationen zu tun haben.
Auswirkungen auf Unternehmen und Gesellschafter
Für Unternehmen, insbesondere für Kapitalgesellschaften und deren Gesellschafter, hat das Urteil eine erhebliche praktische Bedeutung. Ersparte Mietaufwendungen können in Gesellschaftskonstellationen zu verdeckten Gewinnausschüttungen führen, wenn die Gesellschafter anstelle der Gesellschaft wirtschaftliche Vorteile erhalten, etwa in Form unentgeltlicher Wohnnutzung. Wird eine solche Nutzung jedoch durch eine Behinderung oder einen unabwendbaren gesundheitlichen Umstand veranlasst, können die daraus resultierenden Aufwendungen im Rahmen der persönlichen Einkommensteuer als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden.
Kleine und mittelständische Unternehmen sind gut beraten, diese Differenzierung in ihren steuerlichen und buchhalterischen Prozessen zu berücksichtigen. Gerade wenn Gesellschafter oder Angehörige der Unternehmensleitung von gesundheitlich bedingten Einschränkungen betroffen sind, ist eine sorgfältige steuerliche Dokumentation notwendig. Dazu zählt insbesondere die nachvollziehbare Aufteilung zwischen betrieblichem und privatem Nutzungsteil sowie die Begründung der Zwangsläufigkeit der jeweiligen Aufwendungen. Auch Onlinehändler oder Pflegeeinrichtungen, die Betriebswohnungen oder Mitarbeiterunterkünfte bereitstellen, sollten prüfen, ob und inwieweit vergleichbare Konstellationen zu steuerlichen Auswirkungen im Sinne dieses Urteils führen könnten.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass die steuerliche Beurteilung von Wohnvorteilen in gesellschaftsrechtlichen Strukturen stets eine Einzelfallbetrachtung erfordert. Unternehmerische Gestaltungsspielräume bleiben bestehen, dürfen aber nicht dazu führen, dass rein private Vorteile als betriebliche Aufwendungen deklariert werden.
Fazit und Handlungsempfehlung
Das Urteil des Bundesfinanzhofs unterstreicht die Notwendigkeit, bei der steuerlichen Geltendmachung außergewöhnlicher Belastungen eine strenge Unterscheidung zwischen privatem Konsum und zwangsläufigem Aufwand vorzunehmen. Werden Aufwendungen durch gesundheitliche Umstände verursacht und führen sie zu einer objektiven finanziellen Mehrbelastung, ist deren Anerkennung im Rahmen des § 33 Einkommensteuergesetz möglich – selbst dann, wenn diese mit gesellschaftsrechtlichen Vorteilen, wie etwa einer unentgeltlichen Wohnnutzung, zusammentreffen. Für Unternehmen wie auch für Steuerberatende ergibt sich hieraus die Verpflichtung, Krankheits- oder Behinderungsbedingte Aufwendungen umfassend zu dokumentieren und die Angemessenheit in klarer, prüfbarer Form zu belegen.
Wir unterstützen kleine und mittelständische Unternehmen bei der steueroptimalen Gestaltung solcher Sachverhalte, insbesondere im Zusammenspiel von Gesellschaftsrecht und Einkommensbesteuerung. Unsere Kanzlei begleitet Mandanten bei der Digitalisierung und Prozessoptimierung in der Buchhaltung und zeigt auf, wie sich durch strukturierte Abläufe und digitale Lösungen erhebliche Kostenersparnisse realisieren lassen. Dabei profitieren Unternehmen sämtlicher Branchen – vom inhabergeführten Betrieb bis zum spezialisierten Mittelständler – von unserer umfassenden Erfahrung in der praktischen Umsetzung steuerlicher Optimierungen.
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