Die jüngste Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Mai 2025 (Az. 1 ABR 11/24) verdeutlicht einmal mehr, wie sensibel das Zusammenspiel zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung ist. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob ein tariflicher Einigungsstellenspruch wirksam ist, wenn der vom Vorsitzenden übermittelte Spruch nicht vollständig alle Bestandteile enthält, die zuvor beschlossen worden waren. Für kleine und mittelständische Unternehmen, von metallverarbeitenden Betrieben bis hin zu Pflegeeinrichtungen oder Onlinehändlern, ergibt sich daraus eine klare Botschaft: die formale Ordnungsmäßigkeit betriebsverfassungsrechtlicher Verfahren hat erheblichen Einfluss auf die Wirksamkeit der getroffenen Regelungen.
Tarifliche Einigungsstelle und rechtlicher Rahmen für Entgeltregelungen
Im konkreten Fall war der tarifvertragliche Hintergrund das Entgeltrahmenabkommen der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens (ERA NRW). Dieses Abkommen unterscheidet zwischen Zeit- und Leistungsentgelt. Grundsätzlich liegt es im Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 Betriebsverfassungsgesetz, über die Entlohnungsgrundsätze mitzuentscheiden. Kann eine Einigung nicht erreicht werden, tritt die Einigungsstelle ein. Der Beschluss dieser tariflichen Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat und ist als rechtsverbindliche Lösung gedacht.
Das Problem im vorliegenden Fall entstand, weil der übermittelte Spruch der Einigungsstelle nicht vollständig war. Während im beschlossenen Protokoll eine zusätzliche Kostenstelle enthalten war, fehlte diese im den Parteien zugestellten Dokument. Das Bundesarbeitsgericht stellte klar, dass ein solcher formaler Mangel zur Unwirksamkeit des gesamten Spruchs führt, da die erforderliche vollständige Zuleitung gemäß § 76 Abs. 3 Satz 4 Betriebsverfassungsgesetz nicht gegeben war.
Wichtige rechtliche Erkenntnisse für Unternehmen
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist in mehrfacher Hinsicht richtungsweisend. Erstens betont sie die rechtliche Bedeutung der formellen Anforderungen im Einigungsstellenverfahren. Zweitens verdeutlicht sie, dass eine nachträgliche Korrektur durch den Vorsitzenden der Einigungsstelle nicht ausreicht, um die fehlende Vollständigkeit zu heilen. Die Unwirksamkeit wirkt direkt, sodass eine erneute Befassung der Einigungsstelle erforderlich werden kann. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie interne Abläufe bei der Mitbestimmung sorgfältig dokumentieren und die Beschlussfassungen der Einigungsstelle in vollem Umfang überprüfen müssen.
Darüber hinaus zeigt die Entscheidung, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Auswahl von Entgeltgrundsätzen nicht durch bloße tarifliche Rahmenregelungen ausgehebelt wird. Auch bei Zeit- und Leistungsentgelten haben die Betriebsparteien eine Gestaltungskompetenz, die nur durch förmliche Entscheidungen geregelt werden kann. Dies ist gerade für Branchen mit variablen Leistungsbestandteilen, wie beispielsweise industriellen Produktionsbetrieben oder Einrichtungen mit komplexer Schichtarbeit, von erheblicher Bedeutung.
Auswirkungen auf mittelständische Unternehmen und andere Branchen
Für kleine und mittelständische Betriebe bringt die Entscheidung eine klare Handlungslinie: jede Abweichung von formalen Anforderungen birgt erhebliche Risiken für die Wirksamkeit betrieblicher Vereinbarungen. So können Betriebsräte bestehen auf ihre Mitbestimmung bestehen und Arbeitgeber laufen Gefahr, dass vermeintlich klare Vereinbarungen unwirksam werden. Für Onlinehändler mit schnell wechselnden Anforderungen an Logistikpersonal ebenso wie für Pflegeheime mit Schichtsystemen ist daher entscheidend, dass ihre Prozesse zur Vergütungsgestaltung rechtssicher dokumentiert und abgestimmt sind. Besonders dort, wo Vergütungsmodelle leistungsbezogene Elemente enthalten, kann eine fehlerhafte Einigungsstellenentscheidung den gesamten Vergütungsmechanismus ins Wanken bringen.
Unternehmen profitieren davon, ihre internen Abstimmungsprozesse rechtlich und organisatorisch abzusichern. Eine enge Überwachung der Einigungsstellenverfahren und eine klare Kommunikation mit dem Betriebsrat helfen, spätere Anfechtungen zu vermeiden. Auch steuerlich ist diese Frage von Relevanz, da Entlohnungsmodelle unmittelbare Auswirkungen auf Lohnabrechnung und Personalreporting haben können. Gerade für Mittelständler, die ihre Buchhaltung zunehmend digital umsetzen, sind klare Strukturen entscheidend.
Fazit: Konsequente Beachtung der formalen Vorgaben
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts unterstreicht die Notwendigkeit konsequenter Einhaltung formeller Anforderungen bei Einigungsstellenverfahren. Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass Sprüche und deren Übermittlung vollständig und korrekt erfolgen, andernfalls droht die Unwirksamkeit wesentlicher Regelungen. Für die Praxis zeigt sich, dass nicht nur in Großunternehmen, sondern auch in kleinen Betrieben sowie spezialisierten Branchen wie Pflegeeinrichtungen, Handwerksbetrieben oder Onlinehändlern ein verlässliches Zusammenspiel zwischen rechtlicher Kompetenz und organisatorischer Genauigkeit erforderlich ist. Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen bei der Prozessoptimierung in der Buchhaltung und der Digitalisierung, wodurch nicht nur Rechtssicherheit, sondern auch erhebliche Kostenersparnisse erzielbar sind.
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