Überlassung einer Wohnung an Eltern bleibt kein Eigennutz im steuerlichen Sinn
Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluss vom 23. Oktober 2025 (Az.: IX B 71/25) bestätigt, dass die unentgeltliche Überlassung einer Wohnung an die eigenen Eltern keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Sinne des § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Satz 3 Einkommensteuergesetz darstellt. Damit wird eine bestehende Rechtsprechungslinie fortgeführt, wonach die Steuervergünstigung nur eng auszulegen ist und ausschließlich solche Fälle umfasst, in denen der Steuerpflichtige die Immobilie tatsächlich selbst bewohnt. Die Entscheidung knüpft an frühere Urteile an, die sich mit der Frage der steuerfreien Veräußerung privater Immobilien befassten, wenn eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vorliegt. Damit schafft der Beschluss weitere Klarheit, aber zugleich auch Grenzen für private Eigentümerinnen und Eigentümer, die betagte Eltern oder pflegebedürftige Angehörige im eigenen Haus unterbringen.
§ 23 Einkommensteuergesetz definiert private Veräußerungsgeschäfte und sieht unter bestimmten Voraussetzungen eine Steuerbefreiung vor, wenn Immobilien innerhalb von zehn Jahren nach Anschaffung veräußert werden, der Eigentümer sie jedoch zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat. Entscheidend ist dabei die tatsächliche Selbstnutzung. Wird das Objekt hingegen nahen Angehörigen wie Eltern überlassen, fehlt diese persönliche Wohnnutzung. Die nun bestätigte Auslegung zeigt, dass der Gesetzgeber und die Rechtsprechung strikte Anforderungen an den Begriff des Eigennutzes stellen, um missbräuchliche Gestaltungen zu verhindern.
Klarstellung des Bundesfinanzhofs zur steuerlichen Abgrenzung der Eigennutzung
Der Beschluss des IX. Senats macht deutlich, dass auch eine Überlassung an unterhaltspflichtige Eltern nicht als Eigennutzung zählt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Räumlichkeiten Teil eines selbst genutzten Hauses sind oder sich in einem separaten Gebäude befinden. Hintergrund ist die Absicht, die Steuerfreiheit gemäß § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Satz 3 Einkommensteuergesetz auf genuine Selbstnutzung zu beschränken. Der Bundesfinanzhof stützt sich dabei auf den Grundsatz der engen Auslegung von Steuervergünstigungen. Begünstigungen sind Ausnahmen von der Regel der Steuerpflicht und dürfen daher nicht über den Wortlaut hinaus ausgelegt werden. Die Bereitstellung eines Wohnraums für Angehörige bleibt deshalb eine fremdnützige Verwendung und keine Eigennutzung.
Der Steuerpflichtige kann sich in solchen Fällen auch nicht auf Pflege- oder Unterhaltsverpflichtungen berufen, sofern keine tatsächliche Feststellung einer Pflegebedürftigkeit erfolgt ist. Das Gericht verweist auf seine gefestigte Linie, wonach selbst das Zusammenleben in einem Mehrgenerationenhaus keine Vermischung der Nutzungskategorien rechtfertigt, solange keine tatsächliche Überlagerung der Wohnverhältnisse vorliegt. Maßgeblich ist das Kriterium der Selbstnutzung im engeren Sinn, also das Bewohnen der Räume durch den Eigentümer. Damit grenzt der Bundesfinanzhof den Eigennutz auch deutlich gegenüber einer mittelbaren Nutzung, beispielsweise durch Angehörige, ab.
Argumentationslinie und rechtliche Bewertung
- Die Entscheidung stützt sich auf § 115 Absatz 2 Finanzgerichtsordnung, wonach eine Revision nur bei grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden kann. Eine solche grundsätzliche Bedeutung verneinte der Senat, da die Rechtsfrage bereits geklärt sei.
- In seiner Begründung verweist der Bundesfinanzhof auf frühere Entscheidungen, insbesondere auf das Urteil IX R 13/23 aus dem Jahr 2023, das dieselbe Rechtsauffassung bekräftigte. Hieraus ergibt sich ein gefestigter Grundsatz: Die unentgeltliche Nutzungsüberlassung an Eltern erfüllt nicht die Tatbestandsvoraussetzungen der Eigennutzung.
- Als steuerliche Konsequenz bedeutet dies, dass ein innerhalb der zehnjährigen Frist erzielter Gewinn aus einem Verkauf steuerpflichtig bleibt, auch wenn die Wohnung zuvor nur von den Eltern bewohnt wurde.
Für die Steuerberatung und Unternehmenspraxis ist diese Linie bedeutsam, weil sie Planungs- und Rechtssicherheit schafft. Private Vermieterinnen und Vermieter, aber auch Unternehmer, die Immobilien im Privatvermögen halten, müssen diese enge Auslegung auch bei familiären Nutzungskonzepten berücksichtigen.
Steuerliche Konsequenzen für kleine und mittlere Unternehmen sowie spezielle Branchen
Die Entscheidung hat nicht nur für private Immobilieneigentümer, sondern auch für unternehmerische Strukturen Bedeutung. Kleine und mittelständische Unternehmen, die Betriebswohnungen oder Wohnräume im Betriebsvermögen halten, sollten die getroffene Differenzierung zwischen Eigen- und Fremdnutzung beachten. Besonders in Familienbetrieben, in denen Immobilien teilweise familiär genutzt werden, kann die steuerliche Behandlung bei einer Veräußerung erhebliche Folgen für die Liquiditätsplanung haben.
Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser, die häufig Mehrgenerationenmodelle unterstützen oder Wohnraum für Pflegekräfte bereitstellen, müssen darauf achten, dass eine steuerliche Begünstigung nur bei tatsächlicher Nutzung durch den Eigentümer selbst greift. Bei Onlinehändlern und Dienstleistungsunternehmen, die Immobilien als Kapitalanlage halten, spielt die Abgrenzung zwischen betrieblicher und privater Nutzung ebenfalls eine Rolle. Selbst wenn familiäre Motive im Vordergrund stehen, bleibt die Steuerpflicht für Veräußerungsgewinne bestehen, wenn keine eigentliche Selbstnutzung vorliegt. Steuerberatende sollten hier ihre Mandanten gezielt aufklären und im Rahmen der Nachfolgeplanung oder bei Immobilienstrategien einbeziehen.
Für Pflege- und Gesundheitsunternehmen eröffnet die Entscheidung zudem eine juristische Klarheit bei der Gestaltung von Angehörigenwohnungen auf Betriebsgeländen. Da eine Eigennutzung nur bei tatsächlicher Bewohnung durch den Eigentümer anerkannt wird, sollten vertragliche und steuerliche Konstruktionen sauber voneinander getrennt werden. Eine reine Überlassung an Verwandte – auch mit sozialen Beweggründen – verändert die steuerrechtliche Einordnung nicht. So können spätere steuerliche Risiken vermieden werden.
In Summe bestätigt der Beschluss, dass bei der steuerlichen Bewertung privater Veräußerungsgeschäfte der tatsächliche Nutzungszweck des Eigentümers Vorrang hat. Für kleine und mittelständische Unternehmen, aber auch für steuerberatende Kanzleien bedeutet dies, dass sie bei der Vermögens- und Nachfolgeplanung stärker zwischen familiär motivierten Nutzungen und echten Eigennutzungen differenzieren müssen.
Resümee und strategische Implikationen für die Unternehmenspraxis
Mit dem Beschluss vom 23. Oktober 2025 setzt der Bundesfinanzhof seine klare und restriktive Linie zur Auslegung der Eigennutzung fort. Die Entscheidungsgrundlage schafft Rechtssicherheit, fordert zugleich aber hohe Aufmerksamkeit in der steuerlichen Planung. Für Unternehmerinnen, Steuerberater und Finanzinstitutionen bleibt entscheidend, dass nur tatsächliche Selbstbewohnung die Steuerfreiheit nach § 23 Einkommensteuergesetz rechtfertigt. Damit wird das steuerliche Privileg der Eigennutzung vor missbräuchlicher Ausdehnung geschützt und an den Grundsatz der Leistungsfähigkeit im Steuerrecht angepasst.
Praktisch sollten Immobilieneigentümerinnen und Immobilieneigentümer künftige Nutzungsformen ihrer Objekte sorgfältig dokumentieren und gegebenenfalls steuerlich beraten lassen. Für kleine Unternehmen, Pflegeeinrichtungen oder Onlinehändler, die Immobilien aufgrund ihrer betrieblichen oder familiären Struktur halten, ist diese Entscheidung Anlass, bestehende Zuordnungen ihrer Objekte zu überprüfen. Eine vorausschauende steuerliche Planung kann hier spätere Belastungen vermeiden und Liquiditätsvorteile sichern.
Unsere Kanzlei unterstützt insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen bei der Digitalisierung ihrer Buchhaltungsprozesse und der Optimierung steuerlicher Abläufe. Durch strukturierte Prozessoptimierung und digitale Lösungen helfen wir, Zeit und Kosten erheblich zu reduzieren und zugleich die steuerliche Gestaltungssicherheit nachhaltig zu verbessern.
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