Kernaussagen des BFH zur doppelten Haushaltsführung und rechtlicher Hintergrund
Der Bundesfinanzhof hat mit Entscheidung vom 9. September 2025 (Az. VI R 16/23) eine grundlegende Klärung zur steuerlichen Abzugsfähigkeit von Aufwendungen bei doppelter Haushaltsführung getroffen. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob ein Ehegatte Kosten für eine Zweitwohnung, die der andere Ehegatte aufgrund eigener vertraglicher Verpflichtung trägt, als Werbungskosten geltend machen kann. Diese Konstellation betrifft nicht nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern in der Praxis auch viele kleine und mittelständische Unternehmen, die ihren Beschäftigten Dienstreisen, längerfristige Tätigkeiten an entfernten Betriebsstätten oder projektbezogene Aufenthalte finanzieren und abrechnen.
Der Begriff der doppelten Haushaltsführung nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 Einkommensteuergesetz beschreibt Fälle, in denen einem Arbeitnehmer wegen der beruflichen Verlagerung des Tätigkeitsorts zusätzliche Aufwendungen entstehen. Klassischerweise sind dies die Kosten für die Unterkunft am Beschäftigungsort, Aufwendungen für Heimfahrten sowie Mehrausgaben für notwendige Anschaffungen und Einrichtungsgegenstände. Voraussetzung ist stets, dass der Arbeitnehmer außerhalb seines ersten Tätigkeitsorts einen eigenen Hausstand unterhält und am Beschäftigungsort wohnt.
Im vorliegenden Fall lebten die Eheleute gemeinsam am Familienwohnsitz, während die Ehefrau aus beruflichen Gründen in einer anderen Stadt arbeitete. Die dort angemietete Wohnung wurde jedoch ausschließlich durch den Ehemann als Vertragspartner angemietet und bezahlt. Die Ehefrau machte diese Mietkosten in ihrer Einkommensteuererklärung als Werbungskosten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung geltend. Das Finanzgericht hatte der Klage zunächst stattgegeben, der BFH hob das Urteil jedoch auf und stellte klar, dass derartige Kosten nur dann einkünftemindernd berücksichtigt werden dürfen, wenn sie unmittelbar vom Steuerpflichtigen selbst getragen werden.
Rechtsdogmatische Einordnung und steuerliche Argumentationslinie des BFH
Im Zentrum der Entscheidung steht das sogenannte Eigenaufwandsprinzip. Danach kann ein Abzug als Werbungskosten nur für Aufwendungen gewährt werden, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen tatsächlich mindern. Grundsätzlich gilt: Trägt ein Dritter, also eine andere Person, die Kosten, ohne dass der Steuerpflichtige selbst rechtlich oder wirtschaftlich belastet ist, fehlt es an einem eigenen Aufwand. Dieses Prinzip zieht sich konsequent durch die Rechtsprechung des BFH und bildet die Basis für die steuerliche Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen.
Der BFH sieht keine Ausnahme für Ehegatten. Auch im Fall der Zusammenveranlagung bleiben deren Einkünfte und Aufwendungen getrennt zu beurteilen. Zwischen Eheleuten besteht im Hinblick auf die Einkünfteermittlung steuerlich keine Wirtschaftsgemeinschaft, sondern jeder Ehegatte ist eigenständiges Steuersubjekt. Die Zahlung von Mietkosten durch den einen Ehegatten kann dem anderen daher nicht zugerechnet werden, selbst wenn beide eine wirtschaftliche Lebensgemeinschaft bilden. Bei Gütertrennung oder Zugewinngemeinschaft bleiben die Vermögen ohnehin strikt getrennt, sodass Steuerrechte und -pflichten individuell zugeordnet werden müssen.
Der BFH setzt sich dabei explizit mit der Möglichkeit eines sogenannten Drittaufwands auseinander. Ein solcher liegt vor, wenn ein Dritter zwar die Zahlung übernimmt, der wirtschaftliche Aufwand aber dem Steuerpflichtigen zuzurechnen ist, etwa weil die Zahlung im Wege eines abgekürzten Zahlungswegs erfolgt, also die Schuld des anderen beglichen wird. Diese Ausnahme greift jedoch nur, wenn der Zahlende die finanzielle Belastung ausdrücklich und rechtlich für den anderen übernehmen will. Im Streitfall war der Ehemann selbst Mieter der Zweitwohnung und damit auch alleiniger Schuldner der Mietzahlungen, sodass kein abgekürzter Zahlungsweg vorlag. Der BFH verneinte daher die Eigenaufwandseigenschaft auf Seiten der Ehefrau und lehnte den Werbungskostenabzug ab.
Bemerkenswert ist die Klarstellung, dass selbst eine Zahlung von einem gemeinsamen Konto der Ehegatten an der rechtlichen Beurteilung nichts geändert hätte. Maßgeblich ist, wer der Vertragspartner – also wirtschaftlich Verpflichtete – ist. Nur ihm können die Kosten steuerlich zugerechnet werden. Der Versuch, durch zivilrechtliche Gestaltung, wie etwa eine interne Vereinbarung zwischen Ehepartnern, eine rückwirkende Kostenzurechnung zu konstruieren, ist aus Sicht des BFH regelmäßig unbeachtlich, sofern sie nicht zivilrechtlich verbindlich vereinbart und tatsächlich durchgeführt wurde.
Relevanz für Unternehmen, Onlinehändler, Pflegeeinrichtungen und andere Praxisfelder
Für Unternehmerinnen und Unternehmer, insbesondere für kleine und mittelständische Betriebe, eröffnet dieses Urteil wichtige Handlungshinweise. Viele Arbeitgeber beteiligen sich an Unterkunftskosten ihrer Angestellten am Zweitwohnsitz, sei es bei zeitlich befristeten Projekten, Montageeinsätzen oder bei der Entsendung in andere Regionen. Entscheidend ist, dass klare vertragliche Regelungen geschaffen werden, um steuerliche Probleme bei der Zuordnung von Werbungskosten oder Betriebsausgaben zu vermeiden. Wird zum Beispiel die Unterkunft durch das Unternehmen direkt angemietet, liegt im Regelfall kein Werbungskostenabzug des Arbeitnehmers vor, sondern ein Arbeitgeberaufwand, der als steuerfreier Reisekostenersatz in bestimmten Grenzen anerkannt werden kann. Unternehmen sollten daher prüfen, ob sie stattdessen Tagegelder, Pauschalen oder entsprechende Reisekostenvergütungen gewähren, um eine saubere steuerliche Trennung zwischen Eigen- und Fremdaufwand sicherzustellen.
Besonders relevant ist das Urteil für Branchen mit hoher Reisetätigkeit und Personalrotation wie Bauunternehmen, Pflegedienste, Krankenhäuser oder Onlinehändler mit Logistikzentren an verschiedenen Standorten. In Pflegeeinrichtungen etwa werden häufig Fachkräfte aus anderen Städten eingesetzt, die temporär in angemieteten Wohnungen untergebracht werden. Erfolgt die Anmietung über das Unternehmen, bleibt der Aufwand hier beim Arbeitgeber steuerlich relevant. Mietet die Pflegekraft hingegen selbst und trägt die Kosten, kann sie diese grundsätzlich absetzen – allerdings nur, wenn sie selbst Vertragspartei ist. Der BFH schärft damit die Anforderungen an die Dokumentation und klare Verantwortungszuordnung, was sowohl Unternehmen als auch Steuerberatende betrifft.
Für Angestellte von Onlinehändlern, die regelmäßig zwischen Lagern, Fulfillment-Zentren und Verwaltungseinrichtungen pendeln, gilt Entsprechendes. Der Nachweis, wer rechtlich zur Zahlung der Miete oder der Nebenkosten verpflichtet ist, wird künftig noch stärker in den Fokus der Finanzämter rücken. Steuerberatende sollten Mandanten darauf hinweisen, dass Zahlungen im Familienverbund, etwa durch Ehegatten, sorgfältig vertraglich geregelt werden müssen, wenn eine steuerliche Berücksichtigung als Werbungskosten erzielt werden soll.
Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlung für die Praxis
Das Urteil verdeutlicht einmal mehr, dass steuerliche Anerkennung von Aufwendungen nicht allein an das wirtschaftliche Interesse, sondern an die zivilrechtliche Verpflichtung anknüpft. Unternehmer und Steuerpflichtige sollten bei der Gestaltung von Miet-, Arbeits- oder Kostenteilungsvereinbarungen auf eine klare und schriftliche Verantwortungszuordnung achten. Wer eine doppelte Haushaltsführung geltend machen will, muss Vertragspartner der Unterkunft sein und die Kosten aus eigenen Mitteln tragen. Die Praxis sollte daraus ableiten, dass sowohl bei Arbeitnehmerinnen als auch bei betrieblichen Gestaltungen streng zwischen Eigenaufwand und Drittaufwand zu differenzieren ist. Nur so kann eine spätere Ablehnung durch das Finanzamt vermieden werden.
Für kleine und mittelständische Unternehmen empfiehlt es sich, interne Kontrollmechanismen aufzubauen, die Zahlungsverläufe und Vertragsbeziehungen transparent dokumentieren. Eine strukturierte digitale Buchhaltung vereinfacht den Nachweis erheblich. Unsere Kanzlei unterstützt Unternehmen bei der Prozessoptimierung in der Buchhaltung und bei der Digitalisierung betrieblicher Abläufe, um steuerliche Pflichten effizienter und rechtssicher zu erfüllen. Dabei profitieren Mandanten aller Art – vom kleinen Unternehmen über Pflegedienste bis zum Onlinehändler – von den erheblichen Kostenersparnissen, die moderne, automatisierte Prozesse ermöglichen.
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