Digitalisierung des Erbrechts und der neue § 1959a BGB
Die geplante Einführung des § 1959a Bürgerliches Gesetzbuch markiert einen bedeutenden Schritt in der fortschreitenden Digitalisierung des Erbrechts. Ziel des neuen Paragraphen ist es, Erben künftig einen einfacheren Zugang zu Informationen über Nachlassvermögen zu ermöglichen. Ein zentrales Element soll dabei ein bundesweites Register sein, das über Konten, Depots und sonstige Vermögenswerte Verstorbener Auskunft gibt. Die Grundintention des Gesetzgebers liegt darin, eine bislang bestehende praktische Lücke zu schließen. Gerade in Zeiten zunehmender Digitalisierung von Finanzstrukturen sowie verstärkter Online-Banking-Nutzung wird die Ermittlung des Nachlasses immer komplexer. Besonders für Erbfälle ohne nahe Angehörige oder mit verstreuten Vermögenswerten ist ein strukturierter und rechtssicherer Informationszugang entscheidend, um den Schutz des Eigentumsrechts gemäß Artikel 14 Grundgesetz zu gewährleisten.
Mit dem neuen Register sollen Erb:innen künftig einen standardisierten Weg erhalten, Vermögenswerte zu identifizieren, die bisher nur über aufwendige Recherchen auffindbar waren. Dazu gehören nicht nur klassische Bankguthaben, sondern auch Online-Depots, digitale Wallets oder vertraglich gebundene virtuelle Vermögensbestandteile. Die Intention des Gesetzes ist somit auch, die praktischen und wirtschaftlichen Hürden bei der Nachlassermittlung zu reduzieren und gleichzeitig eine gerechtere Vermögensverteilung nach dem Tod zu ermöglichen.
Datenschutzrechtliche Herausforderungen und Kritikpunkte
So begrüßenswert das Vorhaben grundsätzlich ist, wirft der Gesetzesentwurf erhebliche datenschutzrechtliche und verfassungsrechtliche Fragen auf. Der geplante Datenabruf über Kirchensteuermerkmale etwa erscheint zwar technisch praktikabel, ist aber aus datenschutzrechtlicher Perspektive problematisch. Kirchensteuermerkmale enthalten personenbezogene Informationen, die Rückschlüsse auf Religionszugehörigkeit und persönliche Lebensumstände zulassen. Ein unkontrollierter Zugriff auf solche Daten steht in potenziellem Konflikt mit der Datenschutz-Grundverordnung und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Kritisch zu bewerten ist zudem, dass der Entwurf bislang keine ausreichende Hemmschwelle vorsieht, um willkürliche oder missbräuchliche Datenanfragen zuverlässig auszuschließen.
Für Steuerberatende, Rechtsanwält:innen oder Erbverwalter:innen, die im täglichen Mandatsgeschäft mit sensiblen Informationen umgehen, ist dieser Aspekt besonders relevant. Sie tragen nicht nur Verantwortung für die ordnungsgemäße erbrechtliche Abwicklung, sondern auch für den Schutz personenbezogener Daten. Ohne klare gesetzliche Leitplanken besteht das Risiko, dass durch fehlerhafte oder zu weit gefasste Datenabfragen Informationen Unbeteiligter offengelegt werden. Damit wäre das Vertrauen in die Rechtssicherheit des Registers erheblich beeinträchtigt.
Forderungen nach restriktivem Zugang und transparenter Legitimation
Fachkreise fordern dringend eine Nachbesserung des Gesetzesentwurfs. Der Zugriff auf das Nachlassregister darf nicht allein auf ein dargelegtes Interesse gestützt werden, sondern muss eine nachweisbare Berechtigung voraussetzen. Die Identität der anfragenden Person und deren rechtliches Interesse müssen geprüft und dokumentiert werden, um Missbrauch vorzubeugen. Ebenso notwendig ist eine präzise Filterung der Registerdaten nach Sterbe- und Geburtsdatum, damit personenbezogene Informationen eindeutig zugeordnet und unbeteiligte Dritte ausgeschlossen werden können.
Der Kreis der Berechtigten sollte eng gefasst sein. Nur Gerichte, amtlich bestellte Nachlassverwalter:innen, Erb:innen mit rechtskräftigem Erbschein und bestimmte behördliche Stellen sollten Zugriff erhalten. Ein öffentlicher oder wirtschaftlich motivierter Gebrauch des Registers wäre dagegen ein klarer Verstoß gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit im Datenschutzrecht. Für kleine und mittlere Unternehmen, die als Arbeitgeber oder Vertragsparteien mit Verstorbenen in Berührung kommen, gewinnt diese Diskussion an praktischer Bedeutung. Sie sind möglicherweise indirekt betroffen, wenn betriebliche Vermögensrechte oder Forderungen Teil eines Nachlasses werden und deren Rechtsnachfolge geklärt werden muss.
Verfassungsrechtliche Grenzen staatlicher Nutzung und praktische Folgerungen
Besonders kritisch ist der in politischen Kreisen diskutierte Ansatz, sogenannte „nachrichtenlose“ Konten, also nicht beanspruchte Vermögenswerte, zugunsten sozialer Zwecke oder öffentlicher Innovationsförderungen zu verwenden. Eine solche Nutzung erscheint nach geltendem Verfassungsrecht kaum haltbar. Das Eigentum, auch im Erbfall, ist durch Artikel 14 Grundgesetz geschützt. Der Staat darf nicht an die Stelle fehlender Erb:innen treten und Vermögen umverteilen, sondern ist vielmehr verpflichtet, aktiv bei der Auffindung legitim berechtigter Personen mitzuwirken. Dies gilt im Übrigen auch für digitale Vermögenswerte, deren rechtlicher Status zunehmend an Bedeutung gewinnt. Ein plötzlicher Eingriff in Eigentumsstrukturen, ohne dass alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden, wäre nicht nur rechtlich bedenklich, sondern untergräbt auch das Vertrauen in den Rechtsstaat.
Für Unternehmen, insbesondere in sensiblen Branchen wie Finanzdienstleistung oder Gesundheitswesen, ist es ratsam, sich frühzeitig auf die künftigen Anforderungen vorzubereiten. Datenschutzkonzepte und Compliance-Strukturen sollten so gestaltet werden, dass sie auch eine Zusammenarbeit mit einem solchen zentralen Nachlassregister datenschutzkonform ermöglichen. Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, die eigenen Nachlass- und Vertretungsregelungen zu überprüfen, etwa im Hinblick auf Zugriffsrechte auf betriebliche Konten oder digitale Plattformen nach dem Tod eines Geschäftsführers oder Gesellschafters. Der Entwurf berührt damit nicht nur das Erbrecht im engeren Sinn, sondern auch Fragen der Unternehmensnachfolge und der kaufmännischen Kontinuität.
Fazit und Ausblick für Praxis und Beratung
Der Entwurf eines digitalen Nachlassregisters ist ein zeitgemäßer Versuch, erbrechtliche Verfahren an die Realität digitaler Vermögensstrukturen anzupassen. Gleichzeitig zeigt die Diskussion um Datenschutz und Eigentumsschutz, dass die Balance zwischen Transparenz, Legitimation und Privatsphäre noch nicht gefunden ist. Für die Praxis bedeutet dies, dass juristische Beratung künftig verstärkt Kenntnisse im Schnittfeld von Erbrecht, Datenschutz und IT-Recht erfordert. Steuerberatende sowie Unternehmensjurist:innen sollten die Entwicklung aufmerksam verfolgen und Mandanten bereits heute auf die möglichen Auswirkungen vorbereiten.
Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen bei der Digitalisierung ihrer Prozesse und der rechtssicheren Umsetzung moderner Strukturen im Rechnungswesen. Durch gezielte Prozessoptimierung in der Buchhaltung und den Einsatz digitaler Lösungen unterstützen wir unsere Mandanten dabei, Kosteneffizienz und Transparenz zu steigern – über alle Unternehmensgrößen hinweg.
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