Die Abwägung zwischen Transparenz, Fairness und rechtskonformer Datenverarbeitung spielt im Arbeitsrecht eine zunehmend wichtige Rolle. Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit einer Konstellation auseinandergesetzt, die für Unternehmen, öffentliche Arbeitgeber und auch private Betriebe gleichermaßen von Bedeutung ist: die Frage, wie Bewerbungsverfahren rechtssicher zu gestalten sind, ohne gegen datenschutzrechtliche Vorgaben oder grundrechtliche Bewerberansprüche zu verstoßen.
Bewerbungsverfahren und rechtlicher Rahmen
Das Bewerbungsverfahren im öffentlichen Dienst ist verfassungsrechtlich im Artikel 33 Absatz 2 Grundgesetz verankert, der den Grundsatz der sogenannten Bestenauslese normiert. Dieser verpflichtet öffentliche Arbeitgeber, Stellen ausschließlich nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu vergeben. Parallel greifen europarechtliche Vorgaben, insbesondere die Datenschutz-Grundverordnung, die eine transparente, zweckgebundene und verhältnismäßige Verarbeitung personenbezogener Daten verlangt. Schon die Recherche von Personalentscheidern über Bewerber, zum Beispiel über Suchmaschinen, kann datenschutzrechtlich problematisch werden, wenn Betroffenenrechte auf Information und Auskunft nicht gewahrt werden.
Das Bundesarbeitsgericht hatte im Verfahren 8 AZR 117/24 Gelegenheit, diese Schnittstelle zu präzisieren. Dabei standen Schadensersatzansprüche im Raum, die aus einer vermeintlich unsachgemäßen Nutzung von personenbezogenen Daten und aus der Nichtberücksichtigung einer Bewerbung aufgrund eines anhängigen Strafverfahrens geltend gemacht wurden.
Rechtliche Bewertung und Begründung des Gerichts
Das Gericht stellte klar, dass der Bewerbungsverfahrensanspruch eine individuelle Rechtsposition begründet: Jeder Bewerber darf erwarten, chancengleich in ein Auswahlverfahren einbezogen zu werden. Allerdings hat das Gericht ebenfalls betont, dass neben fachlicher Eignung auch charakterliche Eignung zu prüfen ist. Schon begründete Zweifel an der persönlichen Zuverlässigkeit können ausreichen, um einem Bewerber den Zugang zu einer Stelle im öffentlichen Dienst zu verwehren.
Aus arbeitsrechtlicher Sicht interessant ist zudem die Frage des Schadensersatzes nach Artikel 82 Datenschutz-Grundverordnung. Diese Norm gewährt jedem, der durch einen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorgaben materiellen oder immateriellen Schaden erleidet, einen Entschädigungsanspruch. Das Bundesarbeitsgericht ließ jedoch erkennen, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der Datenverarbeitung und einem eingetretenen Nachteil konkret und nachvollziehbar nachgewiesen werden muss. Ein bloßes Unwohlsein aufgrund von Kontrollverlust reicht nicht, wenn sich die ablehnende Entscheidung des Arbeitgebers auf unabhängige Gründe stützt, etwa auf Zweifel an der persönlichen Eignung.
- Das Gericht bestätigte, dass das Grundrecht auf chancengleichen Zugang zu öffentlichen Stellen strikt geschützt ist.
- Es stellte aber ebenfalls klar, dass Zweifel an der charakterlichen Eignung eine Ablehnung rechtfertigen, auch wenn eine strafrechtliche Verurteilung noch nicht rechtskräftig ist.
- Im Datenschutzrecht betonte es, dass nicht jeder formelle Verstoß automatisch zu einem umfassenden Schadensersatz führt, sondern ein konkreter Kausalzusammenhang zu einem Schaden bestehen muss.
Relevanz für Unternehmen und Organisationen
Die Entscheidung hat weitreichende Bedeutung, nicht nur für öffentliche Arbeitgeber, sondern auch für private Unternehmen in Sektoren wie Pflegeeinrichtungen, mittelständische Industriebetriebe oder Onlinehändler, die regelmäßig Bewerbungsverfahren durchführen. Arbeitgeber müssen sich bewusst sein, dass personenbezogene Daten von Bewerbern nur auf einer rechtlichen Grundlage verarbeitet werden dürfen. Informationspflichten müssen eingehalten werden, um Transparenz zu gewährleisten. Gleichzeitig zeigt das Urteil aber, dass Arbeitgeber berechtigt sind, auch schwierige Aspekte wie anhängige Strafverfahren zu berücksichtigen, sofern dies für die charakterliche Eignung relevant ist.
Gerade kleine Unternehmen laufen Gefahr, datenschutzrechtliche Vorgaben im Bewerbungsprozess zu vernachlässigen, etwa wenn Lebensläufe ungeprüft an Kolleginnen weitergegeben oder Informationen aus informellen Internetrecherchen ohne Dokumentation in Entscheidungen einfließen. Für die Praxis bedeutet das: Bewerbungsprozesse sollten formalisiert, dokumentiert und transparent gestaltet sein. Unternehmen, die intern klare Zuständigkeiten und standardisierte Verfahren schaffen, minimieren nicht nur rechtliche Risiken, sondern erhöhen auch ihre Arbeitgeberattraktivität.
Schlussfolgerung und Handlungsempfehlungen
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts verdeutlicht die zentrale Rolle, die der Datenschutz in Bewerbungsverfahren spielt, gleichzeitig aber auch die Bedeutung einer sorgfältigen Eignungsprüfung. Unternehmen – ob im öffentlichen oder im privaten Sektor – sollten Bewerbungsverfahren so gestalten, dass sie sowohl den Grundsatz der Bestenauslese als auch die Vorgaben aus der Datenschutz-Grundverordnung einhalten. Besonders für Pflegeeinrichtungen, kleine Handelsbetriebe und mittelständische Industrien ist dies ein Anreiz, ihre HR-Prozesse rechtssicher und zugleich effizient zu digitalisieren.
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