Neue Maßstäbe für den Beschwerdewert bei Datenauskunft nach DSGVO
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 30. September 2025 (Az. 8 AZM 19/25) die Nichtzulassungsbeschwerde einer Arbeitgeberin als unzulässig verworfen und dabei zentrale Fragen zur Bemessung des Beschwerdewerts bei datenschutzrechtlichen Auskunftsansprüchen nach Artikel 15 DSGVO aufgegriffen. Auch wenn die Beschwerde in der Sache erfolglos blieb, liefert die Entscheidung wichtige Hinweise für die arbeitsrechtliche Praxis insbesondere im Zusammenhang mit der prozessualen Behandlung von Auskunftsansprüchen. Unternehmen aller Branchen – vom kleinen Onlinehändler über mittelständische Produktionsbetriebe bis hin zu Pflegeeinrichtungen – sehen sich immer häufiger mit Auskunftsbegehren von Beschäftigten konfrontiert. Diese Entscheidungen beeinflussen damit unmittelbar die Risikoabwägung bei der gerichtlichen Auseinandersetzung mit Datenschutzthemen im Arbeitsverhältnis.
Wertbemessung und Prozessrecht im Lichte des Datenschutzes
Im Mittelpunkt des Verfahrens stand die Frage, wie hoch der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Auskunftspflicht nach Artikel 15 DSGVO zu bemessen ist und welche prozessualen Konsequenzen sich daraus ergeben. Das Arbeitsgericht hatte dem Auskunftsanspruch des klagenden Arbeitnehmers stattgegeben und den Gegenstandswert auf 5.000 Euro festgesetzt. Das Landesarbeitsgericht verwarf die Berufung der Arbeitgeberin, weil die gesetzliche Beschwerdesumme gemäß § 64 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz nicht erreicht war und eine ausdrückliche Berufungszulassung fehlte. Die daraufhin eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde stützte sich unter anderem auf Fragen zur grundsätzlichen Bedeutung und zur behaupteten Divergenz der Rechtsauffassung im Hinblick auf die Bestimmung des Beschwerdewerts bei datenschutzrechtlichen Ansprüchen.
Das Bundesarbeitsgericht stellte klar, dass es sich bei den aufgeworfenen Fragen nicht um abstrakte Rechtsfragen handelt, die im Sinne des § 72a Abs. 3 Satz 2 Arbeitsgerichtsgesetz klärungsbedürftig wären. Die Höhe des Beschwerdewerts bemisst sich vielmehr nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem tatsächlichen Aufwand, der dem Auskunftsverpflichteten durch die Bearbeitung und Erteilung der Datenauskunft entsteht. Dieser Aufwand kann je nach technischer Ausstattung, Unternehmensgröße und Komplexität der Datenverarbeitung stark variieren. Pauschalwerte – etwa ein Ansatz von 500 Euro für die Erteilung einer Auskunft – seien daher nicht geeignet, die Beschwerdegrenze zu bestimmen.
Das Gericht lehnte auch die Annahme ab, dass die Interessen Dritter, deren Daten im Rahmen der Auskunftserteilung berührt werden, unmittelbar in die Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstandes einzufließen hätten. Diese Fragen, so das Gericht, seien an die konkrete datenschutzrechtliche Situation und die jeweiligen Schutzinteressen gebunden und damit nicht allgemein klärungsfähig. Entscheidend sei, dass die prozessuale Beschwer immer nur aus der Perspektive der betroffenen Partei zu bemessen ist, die zur Auskunft verurteilt wurde, und sich an deren tatsächlichem Abwehrinteresse orientiert.
Konsequenzen für Arbeitgeber und wirtschaftliche Relevanz
Für Arbeitgeber, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, ergibt sich aus der Entscheidung eine klare praktische Konsequenz. Wer sich gegen einen erstinstanzlich zugesprochenen Auskunftsanspruch verteidigen will, muss frühzeitig prüfen, ob der Beschwerdewert die gesetzliche Berufungsgrenze tatsächlich überschreitet. Bleibt die Beschwer unterhalb dieser Grenze, ist die Berufung unstatthaft, es sei denn, das Arbeitsgericht lässt sie ausdrücklich zu. Eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung, die fälschlicherweise eine Berufung in Aussicht stellt, kann diesen Mangel nicht heilen. Das Bundesarbeitsgericht stellte eindeutig fest, dass eine Zulassung der Berufung allein durch den Hinweis in der Rechtsmittelbelehrung nicht möglich ist. Dies verdeutlicht, dass Unternehmen ihre prozessuale Strategie sorgfältig abstimmen und die notwendigen Fristen und Formalien strikt einhalten müssen, um keine Rechtsmittelchancen zu verlieren.
In der Praxis betrifft dies insbesondere datenschutzintensive Branchen wie Pflege- und Gesundheitseinrichtungen, die im täglichen Betrieb mit großen Mengen personenbezogener Daten umgehen und bei denen Beschäftigte zunehmend von ihrem Auskunftsrecht Gebrauch machen. Gleiches gilt für Onlinehändler und digitale Dienstleister, deren Datenverarbeitungssysteme hohe technische Durchdringung aufweisen und bei denen Auskunftsersuchen häufig mit einem erheblichen Bearbeitungsaufwand verbunden sind. Auch mittelständische Produktionsunternehmen, die moderne ERP-Systeme oder Personalmanagementsoftware einsetzen, sollten sich der Potenziale und Risiken solcher Auskunftsansprüche bewusst sein, zumal diese Verfahren oft in Verbindung mit Schadenersatzforderungen nach Artikel 82 DSGVO stehen. Eine unzutreffende Bewertung des Beschwerdewerts kann hier nicht nur zu Kostenrisiken, sondern auch zu erheblichen Verzögerungen im Verfahren führen.
Rechtssichere Prozesse als Schlüssel zur Effizienz
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts unterstreicht die Bedeutung klar strukturierter Datenschutzprozesse und rechtssicherer interner Abläufe. Arbeitgeber sollten prüfen, wie datenschutzrechtliche Auskunftspflichten effizient und rechtmäßig erfüllt werden können, um unnötige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Dies umfasst den Aufbau automatisierter Datenzugriffsstrukturen, die lückenlose Dokumentation der Datenverarbeitung sowie die Schaffung klarer Zuständigkeiten zwischen Personalabteilung, Datenschutzbeauftragten und Rechtsberatung. Unternehmen, die diese internen Strukturen digitalisieren und standardisieren, können den Verwaltungsaufwand deutlich reduzieren und rechtliche Risiken proaktiv minimieren.
Auch aus steuerlicher und betriebswirtschaftlicher Sicht lohnt sich eine vorausschauende Organisation. Eine präzise Dokumentation der Auskunftsprozesse erhöht nicht nur die Rechtssicherheit, sondern kann im Fall von Prüfungen durch Aufsichtsbehörden oder bei arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen den Nachweis der Compliance erleichtern. Wer hier effizient arbeitet, spart Zeit, senkt Kosten und reduziert langfristig das Risiko von Bußgeldern oder Schadenersatzforderungen.
Digitalisierung als strategischer Vorteil im Mittelstand
Der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts zeigt deutlich, dass Datenschutzrecht und prozessuales Kostenrecht enger miteinander verbunden sind, als es auf den ersten Blick scheint. Unternehmen, die frühzeitig in digitale Compliance-Strukturen investieren, verschaffen sich einen deutlichen Wettbewerbsvorteil. Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen bei der Digitalisierung und Prozessoptimierung in der Buchhaltung sowie bei der Einführung effizienter, rechtssicherer Abläufe. Dadurch lassen sich nicht nur Kosten reduzieren, sondern auch die rechtliche Stabilität nachhaltig stärken – ein entscheidender Faktor für zukunftsorientierte Unternehmensführung im digitalen Zeitalter.
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