Aktualisierte Bewertungsgrundlagen nach dem Bewertungsgesetz
Mit Wirkung für Bewertungsstichtage ab dem 1. Januar 2026 gelten neue Vervielfältiger zur Berechnung des Kapitalwerts lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen gemäß § 14 Absatz 1 Satz 4 Bewertungsgesetz. Diese Vervielfältiger dienen der steuerlichen Bewertung von wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen, wie sie typischerweise bei Nießbrauchsrechten, dauernden Lasten oder Renten vorkommen. Grundlage der Anpassung ist das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 21. Oktober 2025 unter dem Aktenzeichen IV D 4 - S 3104/00002/013/003. Darin legt das Ministerium die neuen Faktoren fest, die anhand der Sterbetafel 2022/2024 des Statistischen Bundesamts ermittelt wurden.
Damit wird die Bewertung künftig stärker an die tatsächlichen biometrischen Wahrscheinlichkeiten der Lebenserwartung angepasst. Denn der Kapitalwert lebenslänglicher Leistungen ergibt sich nach der gesetzlichen Definition aus dem Jahreswert der Nutzung oder Leistung multipliziert mit einem Vervielfältiger, der sowohl die statistische Lebenserwartung als auch den gesetzlich normierten Zinssatz berücksichtigt. Änderungen der Lebenserwartung wirken sich somit unmittelbar auf den steuerlichen Kapitalwert aus.
Relevanz für Erbschaft- und Schenkungsteuer
Besonders relevant sind diese neuen Vervielfältiger in der Praxis der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Wird etwa eine Immobilie unter Vorbehalt eines lebenslangen Nießbrauchs übertragen, so reduziert sich der steuerpflichtige Erwerb um den Kapitalwert dieses Nutzungsrechts. Eine längere statistische Lebenserwartung führt tendenziell zu einem höheren Vervielfältiger und damit zu einer höheren Bewertung des Nießbrauchsrechts. Für die steuerliche Bemessung bedeutet das, dass sich der steuerpflichtige Erwerb reduzieren kann, wenn der Wert des Vorbehalts steigt. Umgekehrt können kürzere Lebenserwartungen, wie sie in der neuen Sterbetafel abgebildet sein können, zu einer Erhöhung der Steuerbemessungsgrundlage führen.
Für Schenkungen unter Angehörigen, die regelmäßig mit Nießbrauchs- oder Wohnrechten ausgestaltet sind, spielt diese Anpassung eine erhebliche Rolle. Mittelständische Unternehmer, die beispielsweise Betriebsimmobilien an die nächste Generation übertragen, sollten daher die neuen Werte frühzeitig in ihre Nachfolgeplanung einbeziehen. Auch bei betrieblichen Gestaltungen, bei denen wiederkehrende Leistungen Teil eines Kaufpreises oder einer Versorgung sind, etwa bei der Veräußerung von Anteilen an einer Personengesellschaft, haben die neuen Vervielfältiger steuerliche Auswirkungen.
Praktische Umsetzung und Bewertungsauswirkungen
In der Bewertungspraxis bedeutet die Neuberechnung der Vervielfältiger eine Anpassung der Rechentabellen, die regelmäßig in Bewertungssoftware und Steuerberatungsprogrammen hinterlegt sind. Für Bewertungsstichtage ab 2026 dürfen nur noch die aktualisierten Faktoren auf Basis der neuen Sterbetafel verwendet werden. Maßgeblich ist nicht der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, sondern der steuerliche Stichtag, für den die Bewertung erfolgt. Steuerberatende müssen daher prüfen, ob eine vor dem Jahreswechsel vorgenommene Übertragung noch unter die alten Vervielfältiger fällt oder bereits die neuen anzuwenden sind.
Für Unternehmen mit längerfristigen Versorgungsverpflichtungen, etwa gegenüber ausgeschiedenen Gesellschaftern, kann sich durch die geänderten Faktoren auch ein Anpassungsbedarf in der bilanziellen Bewertung ergeben. Zwar richtet sich die handelsrechtliche Rückstellungsbewertung nicht unmittelbar nach dem Bewertungsgesetz, doch können die geänderten Lebenserwartungen Hinweise für versicherungsmathematische Bewertungen geben. Im Bereich der steuerlichen Rückstellungen nach § 6 Einkommensteuergesetz bleibt allerdings der Abzinsungssatz nach wie vor unabhängig von den Vorgaben des Bewertungsgesetzes, sodass hier keine unmittelbaren Änderungen erfolgen.
Handlungsbedarf für Unternehmer und steuerliche Beratung
Für die Praxis kleiner und mittlerer Unternehmen, aber auch für Freiberufler, Pflegeeinrichtungen oder Familienbetriebe, ist die Kenntnis dieser Änderungen von zentraler Bedeutung. Wer in der Nachfolgeplanung auf lebzeitige Übertragungen mit Vorbehaltsrechten setzt, sollte sich gemeinsam mit seiner steuerlichen Beratung die neuen Bewertungsgrundlagen ansehen. Eine Simulation der steuerlichen Auswirkungen verschiedener Übertragungszeitpunkte kann helfen, die wirtschaftlich und steuerlich optimale Lösung zu finden. Zudem empfiehlt sich die Aktualisierung interner Bewertungsmodelle und Planungsgrundlagen in der Unternehmensnachfolge, um Überraschungen bei der Steuerfestsetzung zu vermeiden.
Auch im Rahmen der Erbschaftsteuerfestsetzung kann die Anwendung des falschen Vervielfältigers zu Abweichungen führen, die unter Umständen langwierige finanzgerichtliche Auseinandersetzungen nach sich ziehen. Deshalb ist es ratsam, für Stichtage ab 2026 konsequent auf die neuen Tabellen zurückzugreifen und die Bewertung entsprechend zu dokumentieren. So lassen sich sowohl bei privaten Vermögensübertragungen als auch bei betrieblichen Gestaltungen Rechtssicherheit und Transparenz gewährleisten.
Fazit: Die vom Bundesministerium der Finanzen veröffentlichten neuen Vervielfältiger nach § 14 Bewertungsgesetz stellen eine notwendige Anpassung an geänderte demografische Grundlagen dar und bringen für viele Steuerpflichtige veränderte Ergebnisse bei der Berechnung des Kapitalwerts lebenslänglicher Nutzungen oder Leistungen. Für alle, die Übertragungen, Schenkungen oder Versorgungslasten planen, ist daher eine frühzeitige Auseinandersetzung mit den neuen Bewertungstabellen unerlässlich. Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen bei der steuerlichen Gestaltung, Prozessoptimierung in der Buchhaltung und Digitalisierung, um durch effiziente Strukturen und automatisierte Abläufe nachhaltige Kostenvorteile zu realisieren und steuerliche Chancen optimal zu nutzen.
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