Maßstäbe für die Anpassung von Betriebsrenten
Die Verpflichtung zur regelmäßigen Prüfung und gegebenenfalls Erhöhung von Betriebsrenten ist für viele Unternehmen ein sensibles Thema – insbesondere in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten. Nach § 16 Absatz 1 Betriebsrentengesetz besteht für Arbeitgeber grundsätzlich die Pflicht, alle drei Jahre zu überprüfen, ob eine Anpassung der laufenden Betriebsrenten an den Kaufkraftverlust geboten ist. Diese Entscheidung muss unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens und der Belange der Versorgungsempfänger getroffen werden. Der Begriff des billigen Ermessens bedeutet dabei, dass der Arbeitgeber die Interessen beider Seiten in einen angemessenen Ausgleich bringen muss, ohne willkürlich zu handeln.
In einem aktuellen Urteil hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass eine Entscheidung gegen eine Anpassung nicht zu beanstanden ist, wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens eine solche Anpassung objektiv nicht erlaubt. Entscheidendes Kriterium ist, ob die nachhaltige Ertragskraft des Unternehmens ausreichende Spielräume für eine Erhöhung der Renten lässt, ohne die Substanz oder künftige Entwicklung des Unternehmens zu gefährden.
Unzureichende Eigenkapitalverzinsung als berechtigtes Kriterium
Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Unternehmen beschlossen, die Betriebsrenten zum Anpassungsstichtag 1. Juli 2022 nicht an den Anstieg der Verbraucherpreise anzupassen. Zur Begründung verwies es auf die unzureichende Eigenkapitalverzinsung in den Jahren 2019 bis 2021. Die Eigenkapitalverzinsung beschreibt das Verhältnis des erzielten Gewinns zum eingesetzten Eigenkapital und ist damit ein zentraler Indikator für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmens. Nach der Rechtsprechung ist eine Anpassung unzumutbar, wenn über mehrere Jahre hinweg keine angemessene Eigenkapitalverzinsung erreicht wird, die den Fortbestand und die Investitionsfähigkeit der Gesellschaft gefährden würde.
Das Gericht stellte fest, dass die Prognoseentscheidung auf einer nachvollziehbaren Beurteilung der unternehmerischen Lage beruhte. Maßgeblich für die Betrachtung sind dabei regelmäßig die drei letzten abgelaufenen Geschäftsjahre vor dem Anpassungsstichtag. Auch gesamtwirtschaftliche Sondereinflüsse – etwa die COVID-19-Pandemie oder andere Marktausnahmesituationen – sind grundsätzlich nur zu berücksichtigen, wenn sie die wirtschaftliche Entwicklung nicht völlig untypisch verzerren. Eine nachträglich eingetretene positive Entwicklung, die zum Stichtag noch nicht vorhersehbar war, darf die Entscheidung des Unternehmens nicht nachträglich infrage stellen. Eine ex-post-Betrachtung würde nämlich die im Betriebsrentengesetz vorgesehene Stichtagsbezogenheit unterlaufen.
Praktische Relevanz für Unternehmende und Versorgungsträger
Für Unternehmen, gleich ob in der Industrie, im Finanzdienstleistungssektor oder im Bereich der sozialen Einrichtungen wie Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser, hat die Entscheidung erhebliche praktische Bedeutung. Sie verdeutlicht, dass die Anpassung der Betriebsrenten kein Automatismus ist, sondern an klare rechtliche Vorgaben und nachvollziehbare wirtschaftliche Analysen gebunden bleibt. Entscheidend ist eine sorgfältige Dokumentation der wirtschaftlichen Situation und der Überlegungen, die zur Anpassungsentscheidung geführt haben. Wird im Rahmen einer umfassenden Prognose festgestellt, dass in den kommenden Jahren keine ausreichende Ertragskraft zur Finanzierung der Rentenerhöhung erwartet werden kann, darf von einer Anpassung abgesehen werden. Hierbei sollte stets eine fundierte betriebswirtschaftliche Bewertung erfolgen, um den Anforderungen der richterlichen Überprüfung standzuhalten.
Von besonderer Relevanz ist zudem der Nachweis, dass die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage auf realistischen Prognosen basiert und nicht bloß auf Momentaufnahmen oder kurzfristigen Schwankungen. Eine zu pessimistische oder rein vergangenheitsbezogene Betrachtung kann als Verstoß gegen das Gebot des billigen Ermessens angesehen werden. Für die Praxis empfiehlt es sich, interne Prozesse zu etablieren, die eine nachvollziehbare und revisionssichere Entscheidungsfindung gewährleisten. Besonders für mittelständische Unternehmen, die häufig weniger strukturiert aufgestellt sind als Großkonzerne, ist eine saubere Dokumentation entscheidend, um späteren Streitigkeiten vorzubeugen.
Fazit und Bedeutung für die betriebliche Praxis
Die Rechtsprechung betont mit Nachdruck, dass der Arbeitgeber bei der Anpassungsprüfung nach § 16 Betriebsrentengesetz über einen gewissen Beurteilungsspielraum verfügt, der jedoch nur im Rahmen sachgerechter unternehmerischer Erwägungen ausgeübt werden darf. Eine Betriebsrentenanpassung kann dann verweigert werden, wenn die wirtschaftliche Situation des Unternehmens eine Erhöhung realistischerweise nicht zulässt. Ebenso wichtig ist, dass diese Entscheidung auf einer belastbaren Prognose beruht, die sich auf nachvollziehbare Zahlen und die objektive Ertragslage stützt. Für die Praxis bedeutet dies, dass jedes Unternehmen die eigene wirtschaftliche Situation strukturiert analysieren, die Prognose nachvollziehbar dokumentieren und den Anpassungsentscheid mit fundierten Begründungen absichern sollte.
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