Internationale Steuertransparenz im Fokus
Mit dem multilateralen Abkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung, kurz BEPS-Multilateral Instrument genannt, hat die internationale Staatengemeinschaft im Jahr 2016 einen bedeutenden Schritt hin zu mehr Steuertransparenz und Fairness im globalen Steuerwettbewerb unternommen. Das Abkommen ist Teil des von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung initiierten Projekts Base Erosion and Profit Shifting. Ziel dieses Projekts ist es, Steuervermeidung durch künstliche Gewinnverlagerungen in Niedrigsteuerländer einzudämmen und damit die Steuerbasis der beteiligten Staaten zu sichern. Für deutsche Unternehmen, insbesondere für international tätige Mittelständler, ergeben sich aus der Weiterentwicklung dieses Regelwerks weitreichende Auswirkungen auf Besteuerungsketten, Abzugsfähigkeiten und Verrechnungspreisstrukturen.
Deutschland hat sich frühzeitig zur Umsetzung der BEPS-Initiativen bekannt und diese in einem zweistufigen Verfahren in nationales Recht überführt. Während zunächst mit dem Vertragsgesetz vom 22. November 2020 die rechtliche Grundlage geschaffen wurde, erfolgt die praktische Anwendung der Bestimmungen über ein gesondertes Anwendungsgesetz, das regelmäßig angepasst wird. Das Ziel ist es, die Bestimmungen der Doppelbesteuerungsabkommen effizient an internationale Mindeststandards anzupassen, ohne jeweils langwierige bilaterale Neuverhandlungen führen zu müssen.
Erweiterung um 62 Steuerabkommen
Mit dem neuen Änderungsgesetz erweitert die Bundesrepublik den Anwendungsbereich des bestehenden Vertragsgesetzes um 62 weitere deutsche Steuerabkommen, die bislang nicht dem festgelegten BEPS-Mindeststandard entsprochen haben. Diese Mindeststandards beinhalten unter anderem die Sicherstellung einer effektiven Streitbeilegung bei Doppelbesteuerung und Maßnahmen zur Vermeidung sogenannter Treaty Abuse-Fälle, also von missbräuchlichen Abkommensgestaltungen. Ziel ist es, einen einheitlichen und gerechten Rahmen für grenzüberschreitende Steuerfragen zu schaffen, der internationale Wettbewerbsverzerrungen vermeidet.
Wichtig ist, dass die Änderungen nicht automatisch mit Inkrafttreten des Gesetzes wirksam werden. Zunächst müssen beide Vertragsstaaten – Deutschland und der jeweilige Partnerstaat – das jeweilige Abkommen als vom BEPS-MLI erfasst benennen. Erst danach ist eine Anpassung des Anwendungsgesetzes erforderlich, um die konkreten Änderungen rechtlich zu verankern. Den formalen Abschluss bildet schließlich eine Notifikation gegenüber der OECD, mit der Deutschland bestätigt, dass die innerstaatlichen Voraussetzungen für die Wirksamkeit des Instruments erfüllt sind. Dieser mehrstufige Prozess stellt sicher, dass Änderungen abgestimmt erfolgen und bestehende Abkommen in Einklang mit den vereinbarten Mindeststandards gebracht werden.
Praktische Konsequenzen für Unternehmen
Für Unternehmen jeder Größe, insbesondere jedoch für international tätige kleine und mittlere Betriebe, bedeutet die schrittweise Umsetzung des BEPS-Multilateral Instrument eine deutlich höhere Rechtssicherheit bei der steuerlichen Behandlung grenzüberschreitender Transaktionen. Gleichzeitig steigt aber auch der Dokumentations- und Prüfungsaufwand. Steuerpflichtige müssen ihre internationalen Geschäftsbeziehungen zunehmend auf mögliche Verrechnungspreisrisiken, hybride Gestaltungen oder Betriebsstättenproblematiken hin überprüfen. Gerade Unternehmen mit Tochtergesellschaften, Lieferbeziehungen oder Lizenzmodellen im Ausland sollten die Änderungen der Abkommen genau im Auge behalten, da sie direkte Auswirkungen auf die Steuerbemessungsgrundlage und die internationalen Steueranrechnungsverfahren haben können.
Neben der rechtlichen Harmonisierung bringt das BEPS-MLI auch eine Modernisierung der Verfahrensstrukturen: Durch verbesserte Streitbeilegungsmechanismen können Doppelbesteuerungskonflikte schneller gelöst werden. Auch das Prinzip der Substanzanforderungen – also die Forderung nach einer tatsächlichen wirtschaftlichen Aktivität als Voraussetzung für steuerliche Vorteile – gewinnt an Bedeutung. Unternehmen, die bislang auf rein formale Strukturen in Niedrigsteuerländern gesetzt haben, werden sich zukünftig auf strengere Prüfungen einstellen müssen. Im Gegenzug schafft die neue Regelung Rechtsklarheit und trägt dazu bei, Wettbewerbsnachteile für Unternehmen zu vermeiden, die ihre Steuerstrategie an realwirtschaftlichen Grundlagen orientieren.
Zukunftsperspektive und Umsetzung im Mittelstand
Die deutsche Umsetzung des BEPS-Multilateral Instrument ist ein Beispiel dafür, wie internationale Steuerpolitik zunehmend über multilaterale Vereinbarungen gesteuert wird. Für viele mittelständische Unternehmen, insbesondere in den Bereichen Produktion, Handel und digitale Dienstleistungen, entsteht damit die Notwendigkeit, bestehende Vertragsgestaltungen sowie die bisherige Nutzung von Abkommensvorteilen zu prüfen. Mit der Ausweitung auf 62 weitere Steuerabkommen wird der Anwendungsbereich nochmals deutlich erhöht, sodass auch kleinere internationale Strukturen in die Regelungsmechanismen einbezogen werden.
In der Praxis empfiehlt es sich, die Unternehmenssteuerstrategie regelmäßig einer Prüfung zu unterziehen und die Entwicklungen der deutschen Umsetzungsmaßnahmen aufmerksam zu verfolgen. Steuerberatende und Wirtschaftsprüfende spielen hierbei eine zentrale Rolle, da sie sowohl die rechtliche als auch die wirtschaftliche Perspektive einordnen und Handlungsempfehlungen für betroffene Unternehmen ableiten können. Die deutschen Finanzbehörden haben zudem signalisiert, dass sie die Vorgaben des BEPS-MLI künftig konsequent anwenden werden, was auch bei Betriebsprüfungen zu einer stärkeren internationalen Abstimmung führen dürfte.
Das multilaterale Umsetzungsverfahren bietet Deutschland die Möglichkeit, seine Steuerabkommen künftig effizienter und einheitlicher an internationale Standards anzupassen. Gleichzeitig bleibt der bilaterale Weg für gezielte Nachverhandlungen ausdrücklich offen, um auf die individuellen Besonderheiten bestimmter Abkommen eingehen zu können. Damit schafft die Bundesregierung ein flexibles System, das internationale Kooperation und nationale Interessen sinnvoll verbindet.
Fazit: Transparenz, Fairness und Effizienz als Leitprinzipien
Das erweiterte BEPS-Multilateral Instrument stärkt langfristig die steuerliche Fairness und reduziert Gestaltungsspielräume, die bislang zur Gewinnverlagerung genutzt werden konnten. Für Unternehmen bedeutet dies einerseits eine höhere Planungssicherheit, andererseits erfordert es eine aktive Anpassung der internen Steuer- und Buchhaltungsprozesse. Wer rechtzeitig auf eine konsistente internationale Steuerstrategie setzt, kann Risiken vermeiden und zugleich von den Vorteilen eines stabilen und vorhersehbaren Steuerumfelds profitieren.
Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen dabei, diese Veränderungen praxisnah umzusetzen. Wir haben uns auf die Prozessoptimierung in der Buchhaltung und die digitale Transformation spezialisiert und begleiten unsere Mandanten umfassend bei der Anpassung an komplexe internationale Anforderungen – mit Fokus auf Effizienz, Transparenz und nachhaltige Kosteneinsparungen.
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