Internationale Mitarbeitereinsätze sind in vielen Branchen, von der Industrie über IT-Dienstleister bis hin zu Pflegeeinrichtungen mit ausländischen Kooperationen, gelebte Praxis. Doch die Grenzen zwischen befristeter Auslandsentsendung und Arbeitnehmerüberlassung verlaufen juristisch schmal. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 3. Juni 2025 (Az. 9 AZR 133/24) konkretisiert nun wesentliche Punkte für Arbeitgeber, die Beschäftigte im Konzernverbund grenzüberschreitend einsetzen.
Befristete Entsendung im Konzern und gesetzliche Leitplanken
Im Mittelpunkt der Entscheidung stand ein Arbeitnehmer, der über viele Jahre von einer deutschen Tochtergesellschaft an die britische Muttergesellschaft entsandt war. Obwohl er organisatorisch weiterhin bei der deutschen Gesellschaft beschäftigt war, verrichtete er seine Tätigkeit nahezu ausschließlich für die ausländische Konzernmutter. Nach Ablauf der befristeten Entsendevereinbarung machte er geltend, die Befristung sei unwirksam, da sie ihn unangemessen benachteilige, und verlangte eine unbefristete Fortsetzung der Entsendung.
Das Bundesarbeitsgericht bestätigte die Rechtswirksamkeit der Befristung. Eine befristete Entsendung im Konzern führt danach nicht zu einer dauerhaften Arbeitnehmerüberlassung, selbst wenn die Vertragsgestaltung im Einzelfall einer Überlassung ähnelt. Entscheidend war der vom Gericht betonte Grundsatz des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, wonach jede Überlassung zwingend vorübergehender Natur sein muss. Eine gerichtliche AGB-Kontrolle, die die Befristung aufheben und so faktisch zu einer dauerhaften Überlassung führen würde, steht in Widerspruch zu diesem Leitgedanken.
Damit stärkt die Entscheidung die Vereinbarkeit befristeter Entsendeabkommen mit dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, sofern diese sorgfältig gestaltet und tatsächlich zeitlich begrenzt sind. Arbeitgeber sollten besonders darauf achten, dass die Dauer klar definiert und der Rückkehranspruch vertraglich gesichert ist. Dies gilt für sämtliche Unternehmensgrößen – vom kleinen Onlinehändler mit europäischen Vertriebspartnern bis hin zu großen Konzernstrukturen mit internationalen Einsatzorten.
Rechtliche Einordnung und Begründung der Entscheidung
Das Gericht stellte klar, dass bei konzerninternen Entsendungen die rechtliche Einordnung stets eine genaue Vertragsanalyse erfordert. Entscheidend ist, ob tatsächlich eine Arbeitnehmerüberlassung vorliegt oder ob – wie hier – ein eigenständiges Entsendungsverhältnis besteht. Auch wenn die deutsche Gesellschaft das Gehalt weiterzahlt, ist dies allein nicht zwingend ein Indiz für eine Überlassung; maßgeblich bleiben organisatorische Eingliederung, Weisungsstrukturen und Vertragsinhalte.
Das Bundesarbeitsgericht betonte, dass das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz keine dauerhaften Dreiecksverhältnisse zwischen Verleiher, Entleiher und Arbeitnehmer vorsieht. Wäre die Befristung im konkreten Fall unwirksam, entstünde eine fortdauernde Überlassung – ein Ergebnis, das der Systematik des Gesetzes widerspräche. Auch das im Gesetz vorgesehene Konzernprivileg, welches bestimmte konzerninterne Überlassungen vom Anwendungsbereich ausnimmt, könne nicht greifen, wenn die Beschäftigung primär zum Zweck der Überlassung erfolgt. Damit bestätigt das Gericht das enge Verständnis dieses Privilegs.
Von zentraler Bedeutung ist der Hinweis, dass eine unwirksame Befristung nicht automatisch ein dauerhaftes Überlassungsverhältnis erzeugt. Derartige Konstellationen würden das gesetzliche Verbot der Dauereinsatzverhältnisse unterlaufen. Das Gericht ordnet die Auslandsentsendung vielmehr als zulässige, zeitlich begrenzte Sonderform unter Wahrung der nationalen und europäischen Rechtsvorgaben ein.
Konsequenzen für Arbeitgeber, Mittelstand und internationale Unternehmen
Für Unternehmen mit internationaler Ausrichtung, insbesondere mittelständische Betriebe, ergibt sich aus dieser Entscheidung ein klarerer Gestaltungsrahmen. Wer Fachkräfte befristet an verbundene Unternehmen entsendet, sollte neben der Befristung auch die Rückkehroption, Vergütungsabwicklung und arbeitsrechtliche Zuordnung im Vertrag eindeutig festhalten. Dies verhindert die Annahme einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung und wahrt die erforderliche Rechtssicherheit.
Gerade kleinere Unternehmen stehen vor der Herausforderung, internationale Personaleinsätze wirtschaftlich und rechtlich einwandfrei abzuwickeln. Sie können nun darauf vertrauen, dass eine zeitlich eindeutig begrenzte Entsendung keine dauerhafte Überlassung begründet, solange die strukturellen Merkmale einer Arbeitnehmerüberlassung vermieden werden. Dazu zählen unter anderem die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation ohne Rückbindung an den eigenen Betrieb oder die vollständige Übertragung der Personalführung auf das Einsatzunternehmen.
Für Onlinehändler mit europäischen Servicestandorten, Start-ups mit internationalen Projekten oder Pflegeeinrichtungen mit Partnerbetrieben im Ausland gilt: Verträge zur befristeten Zusammenarbeit müssen präzise geregelt, nach deutschem Recht überprüft und regelmäßig dokumentiert werden. Damit lassen sich spätere Auseinandersetzungen über die Rechtsnatur des Einsatzes und das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses vermeiden. Auch aus steuerlicher Sicht schafft eine rechtssichere Befristung Klarheit hinsichtlich Lohnsteuerpflicht, Sozialversicherung und Zuständigkeiten bei Entsendungen innerhalb der EU oder in Drittstaaten.
Unternehmen sollten zudem beachten, dass die Wahl deutschen Rechts in Entsendevereinbarungen nach wie vor zulässig ist, wenn der wesentliche Arbeitsort oder die organisatorische Anbindung in Deutschland verbleibt. Die Entscheidung bestätigt damit die Bedeutung sorgfältiger Vertragsgestaltung als zentralen Faktor der Compliance in internationalen Beschäftigungsverhältnissen.
Schlussfolgerung und Empfehlungen für die Unternehmenspraxis
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 3. Juni 2025 schafft wertvolle Klarheit für die Praxis. Sie verdeutlicht, dass befristete konzerninterne Entsendungen auch über längere Zeiträume zulässig sind, solange sie rechtlich eindeutig begrenzt bleiben und die Struktur einer vorübergehenden Tätigkeit gewahrt wird. Eine AGB-Kontrolle darf nicht dazu führen, das gesetzliche Konzept der vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung auszuhöhlen. Für die Unternehmenspraxis bedeutet dies: Befristungsklauseln sollten präzise formuliert, Vertragskonstellationen zwischen in- und ausländischen Gesellschaften regelmäßig überprüft und etwaige Überschreitungen der Überlassungshöchstdauer vermieden werden.
Gerade im Mittelstand kommt es darauf an, die Balance zwischen unternehmerischer Flexibilität und rechtlicher Sicherheit zu wahren. Kanzleien, die auf Digitalisierung und Prozessoptimierung spezialisiert sind, können hierbei einen wesentlichen Beitrag leisten, indem sie Vertragsprozesse automatisieren und Prüfmechanismen etablieren, die rechtliche Risiken frühzeitig erkennen. Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen bei der effizienten Gestaltung solcher Strukturen, insbesondere durch digitale Lösungen in der Buchhaltung und Prozessoptimierung, um nachhaltige Kostenersparnisse und Rechtssicherheit zu erzielen.
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