Relevante Grundlagen zu Zinsansprüchen im Arbeitsverhältnis
Unternehmen sehen sich in arbeitsrechtlichen Konflikten mit Beschäftigten immer wieder auch mit Fragen der Verzinsung von Gehaltsansprüchen konfrontiert. Lange Verfahrensdauern, insbesondere in Eingruppierungsstreitigkeiten im öffentlichen Dienst oder in vergleichbaren tarifgebundenen Bereichen, führen häufig dazu, dass rückwirkend erhebliche Beträge nachgezahlt werden müssen. Ob und in welchem Umfang diese Nachzahlungen zu verzinsen sind, war Gegenstand einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts mit dem Aktenzeichen 4 AZR 274/24 (F) vom 25. Juni 2025. Der Fall betraf die Eingruppierung einer Arbeitnehmerin beim Land Berlin nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder. Strittig war am Ende nur noch die Frage, ob der Arbeitgeber zusätzlich zur Nachzahlung von Vergütung verpflichtet ist, auf die Zeiträume der verzögerten Zahlung Zinsen zu leisten.
Die Entscheidung knüpft an zentrale Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs an, insbesondere an § 286 über den Schuldnerverzug sowie an § 288 über die Pflicht zur Zinszahlung bei Geldschulden. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob sich ein Arbeitgeber im sogenannten „unvermeidbaren Rechtsirrtum“ befunden haben kann. Dieser Begriff meint rechtlich die Situation, dass der Schuldner sich zwar geirrt hat, dieser Irrtum aber so entschuldbar war, dass er nicht als schuldhaft gilt. Das Bundesarbeitsgericht stellte hierzu hohe Hürden auf. Ein Arbeitgeber, der sich in einer komplexen Rechtsfrage eine eigene Meinung bildet, trägt grundsätzlich das Risiko, wenn die Gerichte später zu einem anderen Ergebnis kommen.
Rechtliche Bewertung der Entscheidung
Die Richterinnen und Richter machten deutlich, dass es im arbeitsrechtlichen Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht ausreicht, sich mit einer abweichenden rechtlichen Auffassung auf die Uneindeutigkeit der Regelungen zu berufen. Das Bundesarbeitsgericht stellte klar, dass ein Schuldner nur dann von seiner Verzinsungspflicht befreit ist, wenn er nachweisen kann, dass selbst bei sorgfältiger Prüfung der rechtlichen Rahmenbedingungen und Berücksichtigung der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht vorhersehbar war, dass seine Position vor Gericht scheitern würde. Dieses Kriterium sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt, denn bereits in den Jahren vor Beginn des gerichtlichen Streits hatte der Senat seine Rechtsprechung zur Frage der Zusammenfassung von Tätigkeiten unterschiedlicher tariflicher Wertigkeit geändert und gefestigt. Ein Arbeitgeber, der diese Entwicklung nicht berücksichtigt, könne sich nicht auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum berufen.
Das Verfahren machte zudem deutlich, dass eine Klageänderung in der Revisionsinstanz engen Grenzen unterliegt. Die Klägerin wollte ihre ursprünglich gestellte Feststellungsklage in eine konkrete Zahlungsklage auf Zinsen umwandeln. Dies erklärte das Gericht für unzulässig, weil in der Revisionsinstanz keine neuen, inhaltlich veränderten Klageanträge eingeführt werden dürfen. Damit folgte der Senat auch hier einer klaren Linie der Zivilprozessordnung, die die Rechtsmittelinstanzen auf Rechtskontrolle beschränkt.
Praxisrelevanz für Unternehmen und Einrichtungen
Für kleine und mittelständische Unternehmen, ebenso wie für Pflegeeinrichtungen oder Onlinehändler, die tariflich gebundene Beschäftigte beschäftigen oder Nachzahlungsverpflichtungen leisten müssen, ist die Entscheidung von erheblicher Bedeutung. Sie zeigt, dass Lohnnachzahlungen fast immer auch Zinsansprüche auslösen können, wenn der Arbeitgeber in Zahlungsverzug gerät. Dies gilt insbesondere dann, wenn er sich erkennbar in einer rechtlich unsicheren Position bewegt, ohne aktuelle Rechtsprechung zu berücksichtigen. Damit haben Personalabteilungen und Geschäftsführungen die klare Pflicht, bestehende Rechtsprechung genau zu verfolgen und bei Unklarheiten frühzeitig juristischen Rat einzuholen. Anderenfalls drohen neben den eigentlichen Nachzahlungen zusätzliche finanzielle Belastungen durch Zinsen.
Gerade im öffentlichen Dienst, aber auch bei tarifgebundenen Branchen in der Privatwirtschaft, etwa im Einzelhandel oder in der Pflegebranche, können diese Zinsansprüche summenmäßig erheblich sein. Da es sich um fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz handelt, sammeln sich über mehrere Jahre schnell hohe Beträge an, die ein Unternehmen unvorbereitet in Liquiditätsschwierigkeiten bringen können. Deshalb ist es für Arbeitgeber, unabhängig von ihrer Größe, entscheidend, Entgeltfragen sorgfältig zu prüfen und die jeweiligen tariflichen Einordnungen rechtzeitig vorzunehmen.
Ergänzend weist die Entscheidung darauf hin, dass auch die prozessuale Strategie kritisch zu hinterfragen ist. Unternehmen können nicht darauf hoffen, in oberen Instanzen durch neue Antragstellungen ihre Position zu verbessern. Vielmehr ist es entscheidend, von Beginn an klar strukturierte Anträge zu formulieren und sich frühzeitig mit den möglichen finanziellen Folgen – inklusive Zinsrisiken – auseinanderzusetzen.
Schlussfolgerungen für die Unternehmenspraxis
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts macht sehr deutlich, dass Arbeitgeber sich rechtliche Unsicherheiten im Bereich tariflicher Eingruppierungen oder vergleichbarer Vergütungsfragen nicht leisten können. Wer den Ausgang offener Streitfälle abwartet und später zur Nachzahlung verpflichtet wird, muss regelmäßig auch Verzugszinsen entrichten. Damit entsteht ein erheblicher finanzieller Druck, den Unternehmen durch vorausschauende Personalpolitik und rechtssichere Vertragsgestaltung vermeiden können. Für kleine und mittelständische Unternehmen bedeutet dies: Investitionen in eine saubere arbeitsrechtliche Beratung sind meist deutlich kostengünstiger als jahrelange Prozessrisiken mit hohen Zinsforderungen. Unsere Kanzlei begleitet Unternehmen unterschiedlicher Branchen bei der Prozessoptimierung in der Buchhaltung und bei der Digitalisierung betrieblicher Abläufe. Wir helfen unseren Mandanten dabei, rechtliche und finanzielle Risiken zu verringern, Abläufe effizienter zu gestalten und erhebliche Kostenersparnisse zu realisieren.
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