Sachmangel und Rücktrittsrecht bei Immobiliengeschäften
Die rechtliche Bewertung von Baumaterialien mit gesundheitsschädigendem Potenzial ist in der Praxis von erheblicher Bedeutung, insbesondere dann, wenn im Zuge eines Immobilienerwerbs Schadstoffe wie Asbest entdeckt werden. Unter einem Sachmangel versteht das Bürgerliche Gesetzbuch die Abweichung der Ist-Beschaffenheit einer Sache von der vereinbarten oder gewöhnlich zu erwartenden Beschaffenheit. Käuferinnen und Käufer kleiner Immobilien oder Unternehmen, die etwa Betriebsgebäude oder Gartenflächen erwerben, berufen sich häufig auf das Vorliegen eines solchen Mangels, um Gewährleistungsrechte wie Minderung oder Rücktritt geltend zu machen. Maßgeblich ist jedoch stets, ob der Zustand der Sache objektiv eine Beeinträchtigung des vertraglich geschuldeten Nutzungszwecks darstellt und ob eine konkrete Gesundheitsgefahr besteht.
Das Landgericht Lübeck hatte jüngst den Fall zu entscheiden, in dem ein Ehepaar eine Kleingartenparzelle mit einer Laube erworben hatte, deren Dach aus asbesthaltigen Eternitplatten bestand. Nach der Übergabe erklärten die Käufer den Rücktritt, da das Vorhandensein von Asbest nach ihrer Auffassung einen Mangel darstelle. Die Richterinnen und Richter sahen dies jedoch anders und verneinten den Rücktrittsanspruch. Das Urteil (Az. 3 O 131/22 vom 23.10.2025) beleuchtet zentrale Grundsätze des Gewährleistungsrechts und deren Anwendung auf schadstoffbelastete Bausubstanzen.
Abgrenzung zwischen Beschaffenheitsmangel und Gefährdung
Der rechtliche Ansatz des Gerichts folgt der in der Rechtsprechung etablierten Unterscheidung zwischen einem bloßen Wertmangel und einem funktionalen Mangel. Die Existenz von Asbest in Gebäuden begründet nicht automatisch eine Abweichung von der vereinbarten oder üblichen Beschaffenheit, solange keine konkrete Gesundheitsgefährdung nachweisbar ist. Asbest ist zwar ein krebserregender Stoff, entfaltet seine Wirkung aber nur, wenn Fasern freigesetzt und eingeatmet werden. Bleibt der Werkstoff fest gebunden, wie in Eternitplatten üblich, und befindet sich zudem an einer Stelle im Freien, kann von einer relevanten Gesundheitsgefahr in der Regel nicht ausgegangen werden.
Das Landgericht Lübeck stellte daher klar, dass allein die Existenz von Asbest auf einem Gebäude kein Rücktrittsrecht auslöst. Erst eine nachgewiesene Freisetzung von Fasern, etwa durch massive Beschädigungen oder unsachgemäße Entsorgung, könnte eine konkrete Gefährdung darstellen. In diesem Zusammenhang kommt der sachverständigen Begutachtung erhebliche Bedeutung zu. Nur eine fachlich fundierte Bewertung, ob tatsächlich Gefahr besteht, begründet die Möglichkeit, Gewährleistungsrechte auszulösen. Für Unternehmerinnen und Unternehmer, die in betroffene Immobilien investieren, bedeutet dies eine präzise Prüfpflicht im Rahmen der Due-Diligence-Prüfung.
Praktische Konsequenzen für Käufer und Gewerbetreibende
Für Privatkäufer und kleinere Betriebe, die etwa Kleingartenparzellen, Betriebsgebäude oder Lagerflächen erwerben, ergibt sich aus dieser Entscheidung ein klares Signal: Das Vorhandensein von Asbest ist zunächst kein Mangel, wenn keine konkrete Gefahr für Gesundheit oder Umwelt nachweisbar ist. Dennoch kann der Sachverhalt wirtschaftlich relevant werden, da eine künftige Sanierung mit erheblichen Kosten verbunden sein kann. Entscheidend ist, ob und inwieweit die Parteien bei Vertragsschluss über die Materialbeschaffenheit gesprochen oder diese in die Beschaffenheitsvereinbarung aufgenommen haben. Fehlt eine solche Absprache, ist die Schwelle zum Mangel hoch.
Unternehmensseitig relevant wird die Entscheidung auch deshalb, weil Gebäudesubstanz zunehmend als Teil der Bilanzbewertung in Betracht gezogen wird. Ein Objekt, das Asbest enthält, kann zwar im rechtlichen Sinn mängelfrei sein, ökonomisch aber dennoch Risiken bergen, etwa im Hinblick auf Instandhaltung oder künftige Entsorgungspflichten. Hier empfiehlt sich eine vorsorgende Klärung im Vorfeld von Transaktionen, verbunden mit einer technischen Untersuchung des Bauwerks. Ergibt sich daraus ein Sanierungsbedarf, lassen sich entsprechende Rückstellungen in der Bilanz bilden, um spätere Maßnahmen finanziell abzufedern.
Fazit: Rechtssicherheit schafft Transparenz und klare Prozesse
Das Urteil verdeutlicht, dass eine bloße Besorgnis über Schadstoffe nicht genügt, um vertragliche Gewährleistungsrechte auszulösen. Rechtlich maßgeblich bleibt die objektive Gefährdungslage, die stets durch einen Sachverständigen nachzuweisen ist. Für Unternehmen, die Immobilienbestand erwerben oder betreiben, ist die Vorprüfung besonders relevant, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Die Entscheidung stärkt die Rechtssicherheit beim Immobilientransfer und betont die Bedeutung sorgfältiger Vertragsgestaltung sowie technischer Prüfung.
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