Die jüngste Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22. September 2025 (Az. 8 AZB 8/25) hat erneut verdeutlicht, welche enorme Bedeutung der Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Erstellung von Dienstplänen zukommt. Im Zentrum des Verfahrens stand die Frage, in welchem Umfang ein Ordnungsgeld verhängt werden darf, wenn ein Arbeitgeber Dienstpläne ohne die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats anordnet oder umsetzt. Gerade für größere Einrichtungen wie kommunale Krankenhäuser, aber auch für kleinere Pflegeeinrichtungen, Handelsunternehmen oder andere Betriebe mit Schicht- oder Dienstplanung, liefert die Entscheidung wertvolle Hinweise zur Grenzziehung zwischen unternehmerischem Handlungsdruck und den zwingenden Mitbestimmungsrechten.
Mitbestimmungsrechte bei Arbeitszeit und Regelungshintergrund
Nach § 87 Absatz 1 Nummer 2 Betriebsverfassungsgesetz steht dem Betriebsrat ein zwingendes Mitbestimmungsrecht zu, wenn es um Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage geht. Dies umfasst regelmäßig die Dienst- und Schichtpläne, die insbesondere in Betrieben mit Schichtsystemen, wie in Kliniken oder Pflegeheimen, aber auch bei großen Logistik- und Onlinehandelsunternehmen, ein zentrales Organisationsinstrument darstellen. Arbeitgeber sind daher verpflichtet, Dienstpläne entweder in Übereinstimmung mit dem Betriebsrat zu gestalten oder im Konfliktfall die Einigungsstelle einzubeziehen. Der Verstoß gegen diesen Grundsatz kann mittels Ordnungsgeld nach § 890 Zivilprozessordnung sanktioniert werden, sofern ein vollstreckbarer Unterlassungstitel vorliegt. In der nun entschiedenen Sache stritten ein kommunaler Klinikträger und der Gesamtbetriebsrat über die Höhe eines solchen Ordnungsgeldes, nachdem der Arbeitgeber trotz fehlender Zustimmung des Betriebsrats Arbeitsleistungen anhand eines nicht abgestimmten Dienstplans durchführen ließ.
Bewertung durch das Gericht und Begründung der Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht bestätigte die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, dass die Arbeitgeberin durch die eigenständige Umsetzung von 619 Schichten für August 2022 gegen den Unterlassungstitel aus dem Jahr 2019 verstoßen hatte. Es stellte klar, dass jede einzelne Schichtanordnung ohne Beteiligung des Betriebsrats einen eigenständigen Verstoß darstellt und damit theoretisch jeweils ein Ordnungsgeld nach sich ziehen kann. Diese Betrachtung orientiert sich eng am gesetzlichen Mitbestimmungsrecht, das nicht auf den Dienstplan als Ganzes abstellt, sondern auf jede einzelne Anordnung von Arbeitszeit gegenüber den Beschäftigten.
Das Gericht hielt der Arbeitgeberin vor, trotz organisatorischer Maßnahmen wie der Einführung interner Verfahrensanweisungen und eines Kontrollsystems wiederholt Verstöße nicht verhindert zu haben. Ein Verweis auf Versorgungsnotwendigkeiten im Krankenhausbetrieb entband die Arbeitgeberin dabei nicht von ihrer rechtlichen Pflicht, Dienstpläne so rechtzeitig vorzulegen, dass eine ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats gewährleistet gewesen wäre. Entscheidend war, dass die unternehmerischen Bemühungen nicht ausreichten, um die tatsächliche Einhaltung des Mitbestimmungsrechts sicherzustellen. Damit stellte das Bundesarbeitsgericht grundlegende Maßstäbe für die Prüfung eines sogenannten Organisationsverschuldens heraus. Die Höhe des Ordnungsgeldes wurde mit 100 Euro pro Verstoß bestätigt, was in der Summe zu 61.800 Euro führte. Das Gericht argumentierte, dass diese Höhe sowohl präventiv als auch repressiv ausreichend sei und zugleich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahre, zumal der Klinikverbund massive Jahresverluste zu verzeichnen hatte.
Relevanz für Unternehmen und Handlungsempfehlungen
Die Entscheidung ist nicht nur für Kliniken und Pflegeeinrichtungen bedeutsam, sondern auch für andere Unternehmen mit komplexer Schicht- und Dienstplanung, wie etwa Logistikzentren oder große Onlinehändler. Sie verdeutlicht, dass der Schutz der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats strikt einzuhalten ist und organisatorische Ausreden oder wirtschaftliche Schwierigkeiten nicht vor Sanktionen schützen. Arbeitgeber sind gut beraten, Dienstpläne frühzeitig zur Zustimmung vorzulegen und Einigungsstellenverfahren rechtzeitig einzuleiten, um Rechtsverletzungen und Folgekosten zu vermeiden. Kleine und mittelständische Unternehmen sollten die Entscheidung zudem als Impuls begreifen, ihre internen Prozesse bei der Dienstplangestaltung zu überprüfen und rechtssicher zu gestalten. Gerade in Branchen mit hoher Personalrotation oder in Betrieben, die stark von Dienstplanflexibilität abhängig sind, etwa in der Pflege, im Handel oder in der Gastronomie, zeigt die Entscheidung, dass auch wiederholte kleinere Verstöße in der Masse erhebliche finanzielle Risiken bergen können.
Für Finanzinstitutionen und Steuerberatende ergibt sich aus der Entscheidung die Notwendigkeit, Rückstellungsbildungen für laufende Ordnungsgeldverfahren nach § 249 Handelsgesetzbuch eng im Blick zu behalten. Denn bereits die Beantragung von hohen Ordnungsmitteln verpflichtet Unternehmen zu bilanziellen Rückstellungen, welche die Jahresabschlüsse erheblich belasten können. Steuerberatende sollten Arbeitgebermandanten bei Streitigkeiten um Betriebsratsmitbestimmung frühzeitig auf diese Konsequenzen hinweisen, zumal eine Vielzahl solcher Verfahren in kurzer Zeit erhebliche Liquiditätseffekte auslösen kann. Unternehmerinnen und Unternehmer erhalten mit dieser Entscheidung zudem Klarheit, dass Gerichte die wirtschaftliche Lage zwar bei der Bemessung berücksichtigen, Verstöße jedoch konsequent sanktionieren werden.
Praxisorientiertes Fazit für Arbeitgeber
Das Bundesarbeitsgericht hat betont, dass Mitbestimmungsrechte bei der Arbeitszeit unabdingbar beachtet werden müssen und Verstöße, auch bei nachvollziehbaren betrieblichen Schwierigkeiten, mit empfindlichen Ordnungsgeldern geahndet werden können. Unternehmen jeder Größe, ob große Klinikträger, Pflegeeinrichtungen, Handelsunternehmen oder kleinere Betriebe, sind daher gefordert, interne Prozesse wasserdicht zu gestalten und rechtliche Risiken im Dienstplanungsbereich frühzeitig zu erkennen. Gerade im digitalen Zeitalter bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, Arbeitszeit- und Mitbestimmungsprozesse durch digitale Tools und eine systematische Prozessoptimierung effizient, rechtssicher und transparent zu gestalten. Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen unterschiedlichster Branchen bei der Umsetzung dieser Anforderungen. Dabei legen wir den Fokus auf Prozessoptimierung in der Buchhaltung und die Digitalisierung betrieblicher Abläufe, wodurch unsere Mandanten nicht nur rechtliche Sicherheit gewinnen, sondern zugleich erhebliche Kostenersparnisse erzielen können.
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