Rechtsweg bei Kündigungen leitender Angestellter in Eigenbetrieben
Die Bestimmung des zutreffenden Rechtswegs stellt viele öffentliche Arbeitgeber und deren Beschäftigte vor erhebliche Unsicherheiten, insbesondere wenn es um Führungskräfte in öffentlichen Kultureinrichtungen geht. Aktuell hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass auch ein Generalintendant, der die künstlerische Leitung eines kommunal geführten Theaters innehat, als Arbeitnehmer im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches zu qualifizieren sein kann. Damit ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet, wenn er sich gegen eine außerordentliche Kündigung wendet. Diese Einordnung hat weitreichende Konsequenzen für kommunale Arbeitgeber, Städte mit Eigenbetrieben sowie für leitende Beschäftigte im kulturellen und sozialen Bereich.
Maßgeblich für die Entscheidung war, ob zwischen dem Generalintendanten und der Stadt ein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 611a Bürgerliches Gesetzbuch besteht. Diese Vorschrift definiert den Arbeitnehmer als Person, die im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Weisungsgebundenheit betrifft die inhaltliche, zeitliche und örtliche Ausgestaltung der Tätigkeit. Je stärker die Arbeitsleistung organisatorisch eingebunden und kontrolliert ist, desto eher liegt ein Arbeitsverhältnis vor.
Abgrenzung zwischen freiem Dienstverhältnis und Arbeitsverhältnis
Das Verständnis darüber, wann eine Person als Arbeitnehmer gilt, hat für viele Unternehmen unmittelbare Bedeutung. Im vorliegenden Fall berief sich die beklagte Stadt darauf, dass der Generalintendant nicht in persönlicher Abhängigkeit tätig gewesen sei, sondern als freie Führungskraft mit autonomer Entscheidungsbefugnis. Das Gericht stellte dem entgegen, dass die tatsächliche Arbeitsausgestaltung eine wichtige Rolle spielt. Auch wenn der Intendant erhebliche künstlerische Freiheit genoss, war seine Tätigkeit eng in die Verwaltungs- und Führungsstruktur des Theaters eingebunden. Dazu gehörten regelmäßige Abstimmungen mit dem Verwaltungsdirektor, die Kontrolle durch den Oberbürgermeister sowie eine umfassende Einbindung in die durch die Eigenbetriebssatzung vorgegebene Organisation.
Die Gesamtbetrachtung aller Umstände ergab, dass der Generalintendant keine wesentlich freie Gestaltung seiner Arbeitszeit oder Tätigkeit besaß. Vielmehr bestand eine deutliche Weisungsgebundenheit, die auch ablauforientierte Vorgaben umfasste. Das Bundesarbeitsgericht führte aus, dass künstlerische Freiheit allein kein hinreichendes Kriterium für ein freies Dienstverhältnis darstellt, wenn der Beschäftigte gleichzeitig stark organisatorisch und hierarchisch eingebunden ist. Auch bei hohem Maß an Eigenverantwortung kann ein Arbeitsverhältnis bestehen, sofern der Betroffene nicht selbstständig am Markt tätig ist, sondern in eine institutionelle Struktur eingebettet bleibt.
Relevanz für Unternehmen und öffentliche Arbeitgeber
Für kommunale Eigenbetriebe, freie Träger kultureller Einrichtungen und ähnliche Organisationen ergibt sich aus dieser Entscheidung eine klare Botschaft: Leitende Positionen können arbeitsrechtlich als Arbeitnehmerverhältnisse zu werten sein, auch wenn sie mit umfangreicher Gestaltungsfreiheit ausgestattet sind. Entscheidendes Kriterium ist die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit und das Vorliegen einer Eingliederung in die betriebliche Organisation. Damit ist die Bezeichnung eines Vertrages als „Intendantenvertrag“ oder „Dienstvertrag“ für die rechtliche Bewertung ohne ausschlaggebende Bedeutung. Relevant ist stets, wie die Zusammenarbeit tatsächlich gelebt wird.
Kleine und mittelständische Unternehmen, die beispielsweise in der Pflege, Bildung oder im Kulturbereich tätig sind, können aus dieser Entscheidung ebenfalls wichtige Schlüsse ziehen. Auch bei künstlerischen Leitungen, pädagogischen Fachkräften oder medienbezogenen Projekten kann eine enge organisatorische Einbindung die Merkmale eines Arbeitsverhältnisses definieren. Unternehmerinnen und Unternehmer sollten bei der Vertragsgestaltung großer Sorgfalt walten lassen und prüfen, ob Umfang der Weisungsgebundenheit, Kontrollmechanismen oder organisatorische Abläufe eine Arbeitnehmereigenschaft vermuten lassen. Dies betrifft auch die Abgrenzung zu freien Mitarbeitenden oder Projektverantwortlichen in Digital- und Medienunternehmen.
Fazit und Bedeutung für die Praxis
Die aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts verdeutlicht, dass die Einordnung von Führungskräften nach dem Arbeitsrecht immer einer Gesamtbetrachtung bedarf. Entscheidend ist weniger die vertragliche Überschrift als vielmehr die konkrete Ausgestaltung und faktische Durchführung des Arbeitsverhältnisses. Kommunale Einrichtungen und kulturelle Institutionen sollten insbesondere darauf achten, die Verantwortlichkeiten klar zu definieren und Vertragsbeziehungen regelmäßig zu überprüfen, um spätere Streitigkeiten über die Zuständigkeit der Gerichte und die Art des Beschäftigungsverhältnisses zu vermeiden.
Für die betriebliche Praxis bedeutet dies eine erhöhte Sensibilität für die rechtliche Einordnung leitender Positionen. Eine sorgfältige Dokumentation der tatsächlichen Tätigkeitsstruktur ist ebenso wichtig wie die regelmäßige Anpassung der Vertragsverhältnisse an die gelebte Praxis. So können sowohl Arbeitgeber als auch leitende Angestellte Rechtssicherheit gewinnen und mögliche Prozessrisiken reduzieren. Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen unterschiedlichster Branchen bei der rechtssicheren Gestaltung und Digitalisierung ihrer Buchhaltungs- und Verwaltungsprozesse. Durch gezielte Prozessoptimierung erzielen unsere Mandanten erhebliche Effizienzgewinne und Kosteneinsparungen – von der Vertragsprüfung bis zur digitalen Umsetzung betrieblicher Abläufe.
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