BGH klärt Haftung bei Corona-Schutzimpfungen
Mit seinem Urteil vom 9. Oktober 2025 (Az. III ZR 180/24) hat der Bundesgerichtshof eine bislang offene Rechtsfrage zur Haftung bei der Durchführung von Corona-Schutzimpfungen maßgeblich geklärt. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob Ärztinnen und Ärzte, die bis zum 7. April 2023 im Rahmen der staatlichen Impfkampagne gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 tätig waren, persönlich für mögliche Impfschäden haften oder ob die Verantwortung dem Staat zukommt. Der III. Zivilsenat kam zu dem Ergebnis, dass die damals impfenden Ärztinnen und Ärzte als sogenannte Verwaltungshelfer handelten und somit als Teil der öffentlichen Verwaltung anzusehen sind. Dadurch greift nicht die persönliche Haftung, sondern die sogenannte Amtshaftung des Staates nach Artikel 34 Grundgesetz. Diese Regelung besagt, dass bei einer Verletzung einer Amtspflicht grundsätzlich der Staat oder die jeweilige Körperschaft für mögliche Schäden einzustehen hat, nicht die handelnde Person selbst.
Für Ärztinnen, Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser und andere im Gesundheitswesen tätige Unternehmen bringt diese Entscheidung rechtliche Klarheit. Gleichwohl zeigt sie auch die Grenzen individueller Verantwortlichkeit auf, wenn medizinisches Handeln im öffentlichen Auftrag erfolgt. Gerade im Zusammenspiel von staatlicher Gesundheitsfürsorge, hoheitlicher Tätigkeit und privater Leistungserbringung wirft die Entscheidung wichtige Fragen zur Abgrenzung zwischen öffentlicher und privater Verantwortung auf.
Die juristische Einordnung: Hoheitliche Aufgabe statt freier Berufsausübung
Der BGH stellte in seiner Begründung klar, dass die Tätigkeit im Rahmen der Corona-Impfverordnung eine hoheitliche Aufgabe darstellte. Unter einer hoheitlichen Aufgabe versteht man jede Tätigkeit, die unmittelbar der Erfüllung staatlicher Aufgaben dient und bei der die öffentliche Hand Verantwortung und Einfluss auf die Durchführung trägt. Die privaten Leistungserbringer – insbesondere Vertragsarztpraxen – haben damit eine staatliche Aufgabe wahrgenommen, die von der öffentlichen Verwaltung übertragen wurde. Auch die Durchführung der Impfung einschließlich Aufklärung und Dokumentation galt als Realisierung eines staatlich gewährten Anspruchs auf Schutzimpfung. Damit handelte die impfende Person nicht mehr primär als freiberuflich tätige Ärztin oder Arzt, sondern als sogenannter Verwaltungshelfer.
Ein Verwaltungshelfer ist eine Privatperson, die Aufgaben im Auftrag des Staates ausführt und dabei funktional Teil des Verwaltungsapparates wird. Voraussetzung hierfür ist, dass der Staat die Art und Weise der Tätigkeit inhaltlich bestimmt und kontrolliert. Dies war nach Auffassung des Gerichts bei der Corona-Impfkampagne der Fall, weil die Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit Vorgaben zu Ablauf, Durchführung und Dokumentation der Impfungen machte. Ebenso war der Kreis der impfberechtigten Personen fest definiert. Diese rechtlichen und organisatorischen Vorgaben führten dazu, dass die handelnden Ärztinnen und Ärzte im staatlichen Auftrag tätig wurden, nicht in eigenwirtschaftlichem Interesse.
Praktische Auswirkungen für Leistungserbringer und Unternehmen
Für medizinische Einrichtungen, Pflegeeinrichtungen, kommunale Impfteams und auch Unternehmen, die zeitweise an Impfprogrammen beteiligt waren, bedeutet das Urteil eine erhebliche rechtliche Entlastung. Es stellt klar, dass Schadensersatzansprüche aus dieser Tätigkeit nicht gegen die Einzelpersonen oder deren Einrichtungen, sondern gegen den Staat zu richten sind. Anspruchsgrundlage für eine etwaige Haftung bleibt die Amtshaftung nach Artikel 34 Grundgesetz in Verbindung mit den allgemeinen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Staatshaftung. Betroffene, die einen Impfschaden geltend machen möchten, müssen sich somit an den Staat wenden, nicht an die durchführende Arztpraxis oder das Impfzentrum. Das Urteil schützt damit nicht nur die Einzelpersonen, sondern auch die wirtschaftliche Stabilität medizinischer Betriebe, die ansonsten einem kaum kalkulierbaren Haftungsrisiko ausgesetzt gewesen wären.
Für Unternehmen außerhalb des Gesundheitssektors, etwa Arbeitgeber, die im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsvorsorge Impfangebote organisiert haben, ergibt sich aus der Entscheidung ein indirekter Nutzen. Sie verdeutlicht, dass auch im Zusammenwirken privater und öffentlicher Akteure rechtliche Klarheit über Haftungsfragen geschaffen werden kann, wenn Tätigkeiten der öffentlichen Daseinsvorsorge übernommen werden. Gerade im Krisenmanagement, bei Gesundheits- oder Katastropheneinsätzen kann das haftungsrechtliche Verständnis des Verwaltungshelfers eine wichtige Rolle spielen, um unternehmerische Risiken zu bewerten.
Fazit und Bedeutung für die Praxis
Das Urteil zeigt, wie wichtig eine präzise Abgrenzung zwischen privater und hoheitlicher Tätigkeit ist. Wenn Ärztinnen und Ärzte im Rahmen einer staatlich gelenkten Gesundheitsmaßnahme tätig werden, agieren sie nicht als Privatpersonen, sondern im Auftrag des Staates. Entsprechend trägt der Staat die Verantwortung für etwaige Pflichtverletzungen. Für die Praxis bedeutet dies mehr Rechtssicherheit bei staatlich initiierten Gesundheitsprogrammen und verdeutlicht zugleich die Anforderungen an korrekte Aufklärung, Dokumentation und Organisation – auch wenn die Haftung letztlich beim Staat liegt. Die Entscheidung stärkt das Vertrauen in die rechtliche Grundlage gemeinschaftlicher Gesundheitsmaßnahmen und entlastet Ärztinnen, Pfleger und andere in der Daseinsvorsorge tätige Personen deutlich.
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