Fehler bei der Gebührenkalkulation führen zur Unwirksamkeit kommunaler Satzungen
Das Verwaltungsgericht Göttingen hat mit Entscheidungen vom 22. September 2025 (Az. 3 A 75/23 und 3 A 49/24) mehrere Klagen gegen die Erhebung von Restabfallentsorgungsgebühren durch die Stadt Göttingen für die Jahre 2023 und 2024 entschieden und den Klägern Recht gegeben. Gegenstand der Verfahren war die jährliche Festsetzung der Gebühren durch den Stadtrat auf Basis einer kalkulatorischen Gebührenbedarfsberechnung. Die Kläger, Eigentümer unterschiedlicher Grundstücke, hielten die Erhebung für rechtswidrig, weil die zugrunde liegende Gebührenkalkulation nicht den öffentlich-rechtlichen Anforderungen genügte. Das Gericht teilte letztlich diese Auffassung, nachdem es den Mechanismus der Kostenverrechnung und der Behandlung von Über- und Unterdeckungen prüfte.
Die kommunale Erhebung von Abfallgebühren unterliegt dem Kostendeckungsprinzip, das in § 5 Absatz 2 des Kommunalabgabengesetzes Niedersachsens verankert ist. Danach dürfen Gebühren nur erhoben werden, soweit sie zur Deckung der Kosten der jeweiligen Einrichtung erforderlich sind. Grundlage hierfür ist eine Prognose, die die zu erwartenden Kosten und die voraussichtliche Inanspruchnahme eines Entsorgungsjahrs ermittelt. Dieser Prognosecharakter setzt voraus, dass spätere Abweichungen aus tatsächlichen Entwicklungen ausgeglichen werden – sogenannte Über- und Unterdeckungen.
Über- und Unterdeckungen als zentrales Korrektiv für Gebührengerechtigkeit
Nach der jüngeren Rechtsprechung, auf die sich auch das Verwaltungsgericht Göttingen stützt, müssen Kommunen für den Ausgleich dieser Abweichungen eine differenzierte Vergleichsrechnung zwischen Plandaten und realisierten Ergebnissen durchführen. Eine Überdeckung liegt vor, wenn die tatsächlichen Einnahmen höher waren als die tatsächlichen Kosten, während eine Unterdeckung den umgekehrten Fall beschreibt. Beide sind in den Folgejahren vollständig zu berücksichtigen. Hintergrund ist die Sicherstellung der Gebührenstabilität und die Wahrung des Äquivalenzprinzips, das besagt, dass zwischen Gebühr und Gegenleistung ein angemessenes Verhältnis bestehen muss.
Das Gericht konnte auf Basis der vorgelegten Unterlagen nicht nachvollziehen, ob die Stadt die Über- und Unterdeckungen der Vorjahre rechtmäßig einbezogen hat. Diese Nachvollziehbarkeit ist jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kalkulation. Fehlt die Prüfbarkeit, ist die Gebührensatzung formell fehlerhaft. Solche Mängel können zur kompletten Aufhebung der Gebührenerhebung führen. In der Praxis bedeutet das: Kommunen müssen nicht nur rechnerisch fehlerfrei kalkulieren, sondern zugleich dokumentieren, wie sie zu den Annahmen und Ergebnissen gekommen sind.
Bedeutung der Entscheidung für Unternehmen und Institutionen
Für Unternehmen, die Grundstücke im Stadtgebiet besitzen oder gewerblich nutzen – wie etwa Handelsbetriebe, Pflegeeinrichtungen oder kleine Industrieunternehmen –, hat die Entscheidung unmittelbare Relevanz. Die Abfallgebühr ist ein betrieblicher Kostenfaktor, der regelmäßig in die Betriebskostenabrechnung und die Preiskalkulation einfließt. Wird sie rechtswidrig erhoben, können Unternehmen Erstattungsansprüche stellen oder Widerspruch gegen fehlerhafte Gebührenbescheide einlegen. Voraussetzung ist dabei die fristgerechte Anfechtung und die sorgfältige Prüfung des zugrundeliegenden Gebührenbescheids. Besonders für gewerbliche Betriebe mit hohem Abfallaufkommen, die häufig größere Restmüllbehälter nutzen, erreicht die Gebührenbelastung schnell eine nennenswerte wirtschaftliche Dimension.
Auch für die öffentliche Hand und kommunale Zweckverbände hat die Entscheidung Signalwirkung. Sie zeigt deutlich, dass die formale Plausibilität einer Kalkulation nicht genügt, wenn deren Inhalte nicht den rechtlich gebotenen Anforderungen an Transparenz und Vergleichbarkeit gerecht werden. Ein bloßer Hinweis auf tatsächliche Kostenverursachung reicht nicht aus. Vielmehr muss jede Position einer internen Kontrolle unterzogen und rechnerisch nachvollziehbar aufbereitet sein. Fehler bei der Bereinigung der Kalkulation führen nach der Rechtsprechung zu Rechtswidrigkeit der Gebührensatzung, selbst wenn die tatsächliche Kostenentwicklung realistisch war.
Praktische Empfehlungen und rechtliche Konsequenzen für die Praxis
Für die betroffenen Unternehmen empfiehlt sich, künftig stärker auf die Entwicklung der kommunalen Gebührensatzungen und deren Kalkulationsgrundlagen zu achten. Die öffentliche Bekanntmachung und die zugänglichen Kalkulationsberichte bieten oft schon klare Hinweise auf Defizite in der Plausibilität der Zahlenwerke. Die Entscheidung verdeutlicht zudem, dass die Überprüfung solcher Gebühren nicht nur eine formale, sondern auch eine betriebswirtschaftliche Komponente beinhaltet. Denn im Kern geht es darum, ob die Leistungen, die eine Kommune erbringt, zu einem angemessenen Preis in Rechnung gestellt werden und ob dieser Preis auf rechtlich gesicherter Grundlage beruht.
Für Steuerberatende und Unternehmensberatungen eröffnet sich hier ein wichtiges Beratungsfeld. Die Beurteilung der Gebührenhöhe, ihrer betriebswirtschaftlichen Auswirkungen und der rechtlichen Korrektheit der Erhebung kann Teil einer umfassenden Prüfung der kommunalen Abgabenbelastung sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn Gebührenabrechnungen wiederkehrende Kostenblöcke in der Finanzbuchhaltung darstellen. Ein gezieltes Controlling solcher Positionen hilft nicht nur, potenzielle Rechtsfehler aufzudecken, sondern auch Kosteneinsparungen zu realisieren.
Abschließend lässt sich festhalten, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen die Anforderungen an Gebührenkalkulationen weiter präzisiert und die Rechte der Gebührenpflichtigen stärkt. Kommunen müssen künftig sicherstellen, dass die Dokumentation ihrer Kalkulationen für Dritte vollständig überprüfbar ist. Unternehmen sollten ihre Bescheide und Abgabenpositionen sorgfältig analysieren und bei Unstimmigkeiten zeitnah handeln. Für die kommunale Verwaltung ist diese Entscheidung zugleich ein Anreiz, die eigenen Kalkulationsprozesse zu digitalisieren und transparenter zu gestalten. Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen dabei, durch Digitalisierung und Prozessoptimierung in der Buchhaltung und Finanzverwaltung erhebliche Kostenvorteile zu erzielen. Dank unserer Erfahrung in der Betreuung unterschiedlichster Mandantenstrukturen schaffen wir nachhaltige Effizienzgewinne und sorgen für transparente, rechtssichere Abläufe im Mittelstand.
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